Auftrieb durch Wasserdampf

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Bardocucullus
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Auftrieb durch Wasserdampf

Beitrag von Bardocucullus »

Gerade eben im Handelsblatt-Ticker entdeckt:



Tragkraft verdoppelt


Ballon fährt mit überhitztem Wasserdampf


Weltpremiere an der TU Berlin: Forscher der Uni präsentierten einen 35 Kubikmeter großen, ferngesteuerten Ballon, der von überhitztem Wasserdampf getragen wird. Das besondere: Mit einer speziellen Isolierung ist es den Entwicklern gelungen, die Tragkraft gegenüber Heißluftballonen zu verdoppeln.


hsn DÜSSELDORF. Der sechs Meter hohe Ballon ist nach dem Halbrozièren-Prinzip aufgebaut. Er besteht aus einem isolierten, kugelförmigen Gasbehälter, der den Großteil des Auftriebs liefert und einem konusförmigen Heißluftteil, das mittels Propanbrenner die abgegebene Energie nachliefert und so Kondensatbildung im Gasbehälter verhindert.

Die Forscher wollen mit dem ferngesteuerten Ballon alternative, beheizte Traggassysteme untersuchen. Mit seiner Hilfe soll die physikalische und technische Realisierung von preiswerteren Traggasen für ein alltagstaugliches Luftschiff erforscht werden. Bisher dient teures Helium als Traggas. Alternativ soll nun überhitzter Dampf verwendet werden. Bei 120 Grad Celsius besitzt Dampf etwa die doppelte Tragkraft von derzeit verwendeter Heißluft. „Dadurch entstehen Reserven, die für die Isolierung genutzt werden können“, sagt der Berliner Forscher Alexander Bormann.

Der Dampf wird mittels Sauerstoff-Wasserstoff-Reaktoren erzeugt. „Wie in einem Raketentriebwerk führt die kontrollierte Verbrennung von Sauerstoff und Wasserstoff zu Wasser und sehr viel Wärme“, erläutert Bormann. Die Wärme sorgt dafür, dass weitere zugeführte Wassermengen verdampfen. Verbunden mit einer ausgeklügelten Regelungstechnik liefern die Reaktoren Dampf von 120 bis 300 Grad Celsius.

Neue Isolationswerkstoffe machten den Bau einer Wärmedämmung für Aerostaten erstmals sinnvoll und möglich. Für ihren Ballon entwickelten die TU-Forscher ein Material mit einer geringen Dichte und Wärmeleitfähigkeit. Es ist der weltweit erste Dämmstoff dieser Art, der industriell gefertigt wurde.


HANDELSBLATT, Montag, 07. April 2003, 15:02 Uhr



Damit hätten alle, die bisher immer herablassend von "heißer Luft" im Zusammenhang mit CargoLifter gesprochen haben, doch schlagartig recht!

5dim
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Beitrag von 5dim »

Da kann ich jetzt aber mächtig viel Dampf ablassen und gehe dennoch in die Luft... :lol:

Mich würde interessieren, um was für eine Art Isolierung es sich handelt (wegen der Umweltverträglichkeit)! Ob die in der CL-Werft vorhandenen Maschinen mit der neuen Hülle zurechtkämen? :roll:

Roland Grün
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Beitrag von Roland Grün »

Leute, bedenkt, dass der doppelte Auftrieb, verglichen mit Heißluft, immer noch viel geringer ist als bei Helium oder gar Wasserstoff. Und es muss ständig Energie nachgeliefert werden. Und die Isolation frisst einen Teil des Auftriebs wieder weg. und und ...

pestw
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Beitrag von pestw »

Außerdem bleibt das Helium während der gesamten Lebensdauer der Hülle drin. Es muss also nur einmal angeschafft werden. Das ist nicht der entscheidende Kostenfaktor. Der Clou bei Helium-Luftschiffen ist ja gerade, dass keine Energie für das Halten der Höhe aufgewändet werden muss, sondern nur für den Vortrieb und für das Ausgleichen von Schwankungen der Schwere. Bei Wasserdampfluftschiffen müssen hingegen ständig Wärmeverluste ausgeglichen werden. Und du hast wieder ein Teil mehr, das ausfallen kann.
Für kleinere Kurzstreckenluftschiffe kann die Technik allerdings sinnvoll sein. Möglicherweise kann man die Hülle sogar zusammenfalten wenn das LS gerade nicht betrieben wird.

boris
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Beitrag von boris »

Wasserdampf als alleiniges Traggas ist meiner Ansicht nach nicht effektiv genug und wuerde durch das groessere
Volumen zu viel Antiebsenergie verbrauchen.
Einen sinnvollen Einsatz sehe ich aber in Wasser bzw. Dampf in einem extra Ballonett. So wird durch
Kondensieren bzw. Verdampfen eine effektive Moeglichkeit der Kontrolle des Auftriebs waehrend
des Fluges geschaffen. Der Waermeverlust nach aussen koennte durch die Abwaerme der
Antiebsmotoren des Luftschiffes kompensiert werden.

Viele Gruesse, Boris

Roland Grün
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Beitrag von Roland Grün »

Ich möchte den Gedanken mit dem Dampf-Ballonet mit meinen Worten nochmal formulieren:
Man führt einen Teil des Ballastwassers in Form von Dampf in einem Extra-Ballonet mit. Kondensation verhindert man mit Hilfe der Motoren-Abwärme. Wenn man weniger Auftrieb braucht, lässt man einen Teil des Dampfes kondensieren.

Dieses füge ich erst mal zu meiner Sammlung von Vorschlägen zur Lösung des Auftriebs-Überschuss-Problems aufgrund Treibstoffverbrauch hinzu.

Jetzt eine grobe Überschlags-Rechnung, wieviel Volumen denn dieses Extra-Ballonet bräuchte: 40 Tonnen Wasser, macht 40 Kubikmeter flüssig, macht 40000 Kubikmeter gasförmig. Hmmm. Ginge gerade noch so, verglichen mit dem Gesamtvolumen der Hülle von etwa einer halben Million Kubikmeter.

Und wie steht es mit dem Wamhalten: Wenn man mal von einer Kugel von 40000 Kubikmetern ausgeht, hat man eine Oberfläche von, naja, sagen wir mal 4000 Quadratmetern, wo Wärmeleistung durchfließt. Wieviel Wärmeleistung? Schwer zu sagen. Hängt eben von der Isolation ab, und von der Dampftemperatur, und von der Temperatur auf der anderen Seite. Sagen wir mal 100 Watt pro Quadratmeter. Macht 400000 Watt, 400 Kilowatt. Hmmm, auch wieder so gerade an der Grenze des vielleicht noch machbaren...

Aber die Motoren müssen ständig diese Wärme erzeugen, also ständig volle Power laufen. Das geht doch sehr weit weg von der Vorstellung eines ziemlich eigensicher schwebenden Teils.

Dieses Dampf-Ballonet hätte aber nichts mit den normalen Ballonets zu tun, deren Hauptaufgabe ja ist, die Hülle unter allen atmosphärischen Bedingungen straff zu halten, also den Innendruck konstant zu halten. Eine Vereinigung von Ballastausgleich und Druckhaltung in einem einzigen Ballonet kann ich mir erst mal nicht vorstellen.


k.moestl
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Beitrag von k.moestl »

Beim Surfen habe ich zufällig im Wasserstoff-Spiegel Nr. 6/97
die nachfolgende Meldung gefunden. Sie ist zwar schon mehrere Jahre alt,
aber vielleicht dennoch von Interesse:
http://www.dwv-info.de/wss/wss976.pdf

Ballonabsturz: Am 18. Oktober geriet in der Nähe von Nauen (westlich von Berlin) aus bisher
ungeklärter Ursache ein mit etwa 1000 m³ Wasserstoff gefüllter Gasballon in Brand und stürzte ab. Die
vier Insassen kamen ums Leben.
Nach den Ermittlungen des Luftfahrt-Bundesamtes scheiden Materialermüdung, Blitzschlag, Abschuß
oder Kollision als Ursache aus. Offenbar brach am Scheitel des Ballons ein Feuer aus, durch das die
Verbindung zwischen der Ballonhülle und dem darüber liegenden Netz, an dem auch der Korb hängt,
verloren ging. Netz und Korb stürzten 300 m tief ab, während die Ballonhülle brennend davonflog. Die
Brandursache steht noch nicht fest. Derzeit wird geprüft, ob sie etwas mit dem 500 kW-Kurzwellensender
der Deutschen Welle zu tun haben könnte, von dem sich der Ballon zu diesem Zeitpunkt nur
etwa 100 m weit entfernt befand.

Klaus Möstl
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Roland Grün
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Beitrag von Roland Grün »

haben nicht viel mehr als den ersten Teil des Namens gemeinsam. Im Wasser steckt zwar Wasserstoff, aber bombenfest gebunden an Sauerstoff, der die Hauptmasse ausmacht. Und Wasserdampf ist schlichtweg Wasser in Gasform.

Auftrieb mit Wasserstoff ist was ganz anderes als Auftrieb mit Wasserdampf: Wasserstoff ist leichter als Luft, weil ein Gasteilchen Wasserstoff leichter ist als ein Gasteilchen Luft. Und Wasserdampf macht einen Ballon leichter als Luft, weil er die Luft im Ballon auf einer höheren Temperatur hält als die Luft in der Umgebung. Wasserdampf ist also eigentlich kein Auftriebs-Medium sondern nur ein hocheffizienter Wärme-Überträger und -Speicher, effizienter als die direkte Befeuerung mit Gasbrennern so wie sie jeder kennt.

Ich hoffe ich habe jetzt nicht allzu sehr als Oberlehrer gewirkt. Wollte das nur mal klarstellen.

Im übrigen bin ich bekennender Wasserstoff-Fan.

Meine Hoffnung und Vision für die entferntere Zukunft ist die:

Wenn die fossilen Öl-, Kohle- und Gasvorräte der Erde langsam aber sicher knapp werden, setzt sich Wasserstoff als Energieträger langsam aber sicher durch. (Ich habe nicht gesagt: Wasserstoff als Energiequelle, um mal gleich das typische Missverständnis auszuschließen). Und wenn dann mal Wasserstoff so selbstverständlich ist wie jetzt etwa elektrischer Strom (der ja auch nur ein Energieträger ist), dann ist das Hindenburg-Syndrom aus den Köpfen verschwunden und Wasserstoff kehrt in die Luftschiffe zurück. Und das, wenn nichts anderes zuvor, wird Groß-LTA zum Durchbruch verhelfen.

Die Frage nach der Energiequelle (jetzt also nicht: Energieträger) der Zukunft liegt damit auf der Hand. Diese zu beantworten wage ich aber erst mal nicht.

pestw
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Beitrag von pestw »

Roland Grün hat geschrieben:Auftrieb mit Wasserstoff ist was ganz anderes als Auftrieb mit Wasserdampf: Wasserstoff ist leichter als Luft, weil ein Gasteilchen Wasserstoff leichter ist als ein Gasteilchen Luft. Und Wasserdampf macht einen Ballon leichter als Luft, weil er die Luft im Ballon auf einer höheren Temperatur hält als die Luft in der Umgebung. Wasserdampf ist also eigentlich kein Auftriebs-Medium sondern nur ein hocheffizienter Wärme-Überträger und -Speicher,...
Roland, da muss ich dir aber jetzt widersprechen. Wasserdampf bezieht seinen Auftrieb sowohl aus der höheren Temperatur, die mit seiner Verwendung zwangsweise verbunden ist, als auch aus der stofflich bedingten geringeren Dichte. Ein Vergleich der Molekulargewichte bringt es an den Tag:
Wasser(dampf) H2O: 2xH+1xO -> 18.
Sauerstoff: O2: 2xO -> 32.
Stickstoff: N2: 2xN -> 30.

Also: Wasserdampf ist Leichter als Luft. Der "Superheating-Effekt" kommt lediglich dazu, ist aber auch nicht unbedeutend. Heißluftballone z.B. fliegen ('tschuldigung: fahren) nur mit diesem Effekt.
Bild :zib Initiative Zukunft in Brand - Wir verleihen CargoLifter Auftrieb!

Henry
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Beitrag von Henry »

Na ja, wenn das so einfach wäre mit der Chemie.
Frage: warum fliegt Kohlenstoff denn nicht? Hat ein Atomgewicht von 12.
Oder seh ich da was falsch?

:D :D :D :D :D
Henry
:shock:

k.moestl
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Beitrag von k.moestl »

Roland Grühn hat geschrieben:Wasserstoff und Wasserdampf haben nicht viel mehr als den ersten Teil des Namens gemeinsam
Ja, da habe ich zu flüchtig hin geschaut und den falschen Thread gewählt.
Ich hatte gedacht, es würde sich jemand von den Ballonexperten an diesen Unfall erinnern und könnte Näheres berichten. Ich könnte mir denken, dass die Medien damals die Ursache wieder im Wasserstoff gesehen haben.

Zum Thema Wasserdampf und Auftrieb möchte ich meinen Senf auch noch dazu geben:

Der Dichteunterschied von Wasserdampf und Luft – gleiche Temperatur und gleicher Druck vorausgesetzt -, ist nicht ganz so groß, wie der Unterschied im Molekulargewicht vermuten läßt. Das liegt daran, dass Wassermoleküle ein starkes Dipolmoment haben, was zu Anziehungskräften zwischen den Molekülen führt und den mittleren Abstand zwischen den Molekülen verringert. Wasserdampf verhält sich also nicht mehr wie ein ideales Gas. (Die Kräfte führen auch dazu, dass Wasser bei Raumtemperatur vorzugsweise in der Flüssigphase vorkommt.)
Um einen Ballon vollständig mit Wasserdampf zu füllen, muss die Temperatur mindestens 100°C betragen, weil dann der Dampfdruck 1013 hPa (= 1 Atmosphäre) beträgt. Unter diesen Bedingungen beträgt die Dichte 0,598 kg/m³. Die Dichte der Umgebungsluft beim Start beträgt 1,188 kg/m³ (Temperatur von 20°C angenommen), so dass man einen Auftrieb*) von 0,59 kg pro m³ erhält (Hülle etc. nicht mit gerechnet). Zum Vergleich: Helium bei 20°C bewirkt gegen Luft einen Auftrieb von 1,063 kg pro m³.
In 2000 m Flughöhe beträgt der Luftdruck noch etwa 795 hPa. Dann braucht man den Wasserdampf nur auf etwa 93°C aufzuheizen, um den Ballon prall zu füllen.
Dann ist seine Dichte 0,473 kg/m³ und die Dichte der Luft 0,931 kg/m³. Pro m³ ergäbe sich also ein Auftrieb von 0,458 kg.

*) Der Purist und Oberlehrer in mir sagt: Die obige Angabe in Kilogramm ist keine Kraft sondern eine Masse. Um als zur Auftriebskraft in der Einheit Newton zu kommen, müssen die angegebenen Massen noch mit der Erdbeschleunigung von 9,81 m/s² multipliziert werden. Dies zeigt auch: ohne Schwerefeld kein Auftrieb!

P.S.: Kohlenstoff geht im Prinzip auch. Man müßte Graphit nur zum Sieden bringen, damit es einen Dampfdruck von einer Atmosphäre erzeugt. Leider geschieht das erst bei 4827°C...

Klaus Möstl
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pestw
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Beitrag von pestw »

Henry hat geschrieben:Frage: warum fliegt Kohlenstoff denn nicht? Hat ein Atomgewicht von 12.
Oder seh ich da was falsch?
Ja. Kohlenstoff ist fest und die Atome in ein Kristallgitter eingebunden. Das mit dem Vergleich der Molekulargewichte gilt nur für (ideale) Gase, deren Atome/Moleküle sich frei bewegen können.
Bild :zib Initiative Zukunft in Brand - Wir verleihen CargoLifter Auftrieb!

Orljonok
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Beitrag von Orljonok »

@ Henry

Kohlenstoff kommt deshalb nicht in Frage, weil nicht nur eine geringe Molekülmasse/ Atommasse sondern vor allem der Abstand der Teilchen zueinander entscheidend ist, d.h. je weniger Teilchen einer bestimmten Masse pro Volumen vorhanden sind, desto geringer wird die Dichte. Letztendlich entscheidet ja nur die Dichte (hier: Massendichte) über den Auftrieb, die man insbesondere bei Gasen ja über die Temperatur beeinflussen kann. Kohlenstoff besitzt nunmal unter Normalbedingungen je nach Form folgende Dichten: 2,26 bis 3,5 g/cm³, Kohlenstoff als Verstärkungsfaser: 1,7 g/cm³.
Immer zäh bleiben, dann schafft man es !!!

Henry
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Beitrag von Henry »

ja nee, is klar. Ich wollte mit meiner nicht sehr ernst gemeinten Frage nur andeuten, daß man nicht einfach nur die Molekulargewichte vergleichen kann. Es gehört sicher noch einiges mehr dazu, die Möglichkeiten abzuwägen.
Vielen Dank für die Antworten. Die mir aber schon vorher klar waren. :D

Henry (pensionierter Chemielaborant) :P

:shock:

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