Manager-Magazin: Insolvenzverwalter - Henker oder Helfer?

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pestw
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Manager-Magazin: Insolvenzverwalter - Henker oder Helfer?

Beitrag von pestw »

In der neuesten Ausgabe des Manager-Magazin ist ein Artikel erschienen, der aufhorchen lässt. Unser lieber Freund Mönning wird auch erwähnt. Unrühmlich natürlich.
Manager-Magazin hat geschrieben:MEHR HENKER ALS HELFER
INSOLVENZVERWALTER - Inkompetente Abwickler und findige Abzocker verursachen Milliardenschäden. Die Branche muss reformiert werden.
HANS-JÜRGEN LUTZ
KLAÜS-PHILIPP LANGE


Wann genau Reinhard Mühl (61) in jene Abwärtsspirale geriet, die ihn schließlich hinter Gitter brachte, lässt sich heute nicht mehr so recht rekonstruieren. Fest steht, dass der Insolvenzverwalter Hunderte von zahlungsunfähigen Betrieben betreute, sich weithin einen Namen gemacht hatte und bestens verdiente. Fest steht aber auch, dass ihm irgendwann die Millioneneinkünfte aus dem Sequestergeschäft nicht mehr reichten. Mühl wollte mehr, er suchte nach einem zweiten Standbein und gründete Mitte der 90er Jahre die KTG Kunersdorf Beteiligungsgesellschaft in Hannover. Die Firma wuchs rasant. Sie kaufte Immobilien, baute eine Kinokette auf, stieg bei Industrieunternehmen ein.

Immer schneller drehte sich das Rad - bis klar war, dass sich die KTG verspekuliert hatte. Um den Kollaps abzuwenden, verfiel Mühl auf eine verhängnisvolle Idee: Auf den von ihm geführten Anderkonten lag jede Menge Cash. Wem würde es schon auffallen, wenn die KTG die eine oder andere Anleihe nähme? Das Kalkül schien aufzugehen. Über viele Jahre hinweg stopfte Mühl die KTG-Löcher mit Kapital aus Insolvenzmassen, und kein Richter oder Rechtspfleger wurde misstrauisch. Sogar als sich 2002 mehrere Gläubiger beschwerten, weil sie endlos lange auf ihr Geld warten mussten, blieben die Gerichte untätig. Jeder Verwalter habe mal Arbeitsrückstände, hieß es lapidar. Erst als sich Mühl angesichts seiner ausweglosen finanziellen Situation selbst anzeigte, flog der Megaschwindel auf. 2007 bestrafte das Landgericht Hildesheim den geständigen Angeklagten wegen Veruntreuung von 45 Millionen Euro in 106 besonders schweren Fällen mit acht Jahren Haft.

Die Causa Mühl wirft ein grelles Licht auf eine Zunft, der gerade jetzt, da die Pleitenzahlen infolge der Finanz- und Konjunkturkrise wieder deutlich ansteigen, eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung zukommt. Doch ausgerechnet diese Branche ist durchsetzt von findigen Abzockern und unprofessionellen Abwicklern. „1000 der rund 1900 in Deutschland tätigen Insolvenzverwalter sollte man aussortieren", fordert Hans Haarmeyer (60), ein ehemaliger Konkursrichter. „Denen würde ich nicht einmal die Betreuung meiner Mutter im Altersheim übertragen."

Sicherlich, Kriminelle wie Mühl bilden die Ausnahme, und ebenso sicher ist, dass es viele gewissenhafte Verwalter gibt, die sich nicht als Henker, sondern als Helfer verstehen. Sie beherrschen ihr Handwerk und versuchen mit aller Kraft, fallierte Firmen zu sanieren oder zumindest möglichst hohe Quoten für die Gläubiger herauszuschlagen. Aber wer kann schon die Redlichen von den Anrüchigen unterscheiden? Kaum eine andere Gilde ist so undurchsichtig wie die der amtlich bestellten Manager auf Zeit. Jeder darf sich Insolvenzverwalter nennen, egal ob Prädikatsjurist oder Buchhalter. Entsprechend gering ist die Qualifikation einiger selbst ernannter Spezialisten.

Die verantwortungsvolle Aufgabe regelt weder eine Vergabeordnung, wie sonst bei öffentlichen Aufträgen, noch eine Berufsordnung, wie sie für Anwälte oder Notare gilt. Der Insolvenzverwalter bewegt sich in der Grauzone. Bestellt werden die Treuhänder von den Richtern an den Amtsgerichten; welche Kriterien sie bei der Auswahl der Kandidaten anlegen, bleibt ihr Geheimnis. Die Insolvenzordnung schreibt lediglich vor, dass die mandatierte Person „unabhängig" und für den jeweiligen Einzelfall „geeignet" sein muss.

Die Kontrolle der Verwalter wiederum obliegt im Wesentlichen den Rechtspflegern. Aber auch deren Arbeit wird kaum durch allgemein gültige Vorgaben definiert. Der Willkür ist so Tür und Tor geöffnet und auch dem Missbrauch. Viele Gerichte beauftragen stets die gleichen Sequester, und weil man sich meist gut kennt, aber auch weil viele Richter und Rechtspfleger überlastet und unterqualifiziert sind, schauen sie oft nicht richtig hin. „Das ist eine perfekt organisierte Selbstbedienungsmaschine", behauptet Oliver Nix (43), der früher bei einem Verwalter gearbeitet hat. In dem blickdichten System gedeihen die facettenreichsten Formen der Bereicherung. So hat das Landgericht Hildesheim 2007 gegen vier Männer Anklage wegen Bestechung und Bestechlichkeit erhoben. Der Vorwurf: Drei Verwalter hätten in 40 Fällen einen Auktionator mit der Bewertung und Versteigerung von Insolvenzmassen beauftragt und ihm aus den Kassen der Pleitefirmen Gebühren bezahlt, die über den marktüblichen Sätzen lagen. Die Hälfte des Aufgeldes habe der Auktionator an die
Liquidatoren zurücküberwiesen.

Den Schaden tragen stets die Gläubiger, denn durch solche Machenschaften schrumpft die Masse, aus der ihre Forderungen bedient werden. Die wenigsten der Geprellten aber wehren sich, weil sie glauben, bei den Schuldnern sei ohnehin nichts mehr zu holen. Und die kleine Schar derer, die gegen einen Verwalter aufbegehrt oder gar die Justizverwaltung wegen mangelnder Aufsicht in Amtshaftungnehmen will, „rennt bei denGerichten gegen eine Gummiwand", sagt Nix, dessen Hamburger Kanzlei mehrereInsolvenzgeschädigte vertritt.

Die gleiche Erfahrung machten Anleger der bankrotten Wertpapierhandelsfirma Phoenix Kapitaldienst in Frankfurt. Sie behaupten, Phoenix-Liquidator Frank Schmitt (43) habe ihre Kapitaleinlagen der Masse zugeschlagen. Das sei unzulässig, weil die Gelder den Anlegern direkt zustünden und nicht als Insolvenzquote an alle Gläubiger verteilt werden dürften. Schmitt sagt, sein Vorgehen sei rechtens. Durch die Transaktion stieg die Masse um 170 auf 230 Millionen Euro. Ein hübsches Geschäft für Schmitt, weil sich das Honorar hauptsächlich nach der Masse bemisst, erhielt er allein für die ersten vier Monate als vorläufiger Insolvenzverwalter 3,2 Millionen Euro. Vermutlich wird sich das Verfahren noch Jahre hinziehen, daher rechnen Anleger mit einer Endvergütung von bis zu 30 Millionen Euro. Schmitt bezeichnet die Summe als „weit entfernt von dem, was tatsächlich abgerechnet werden kann". Dennoch klagt Markus Ross (48 ) vom Phoenix-Rechtsverfolgerpool: „ein krasser Fall von Bereicherung".

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Je härter der Konkurrenzkampf, desto größer die Bereitschaft, die eigene Kanzlei zulasten der Gläubiger zu subventionieren. Hans-Jürgen Steeg (67) hat zum Beispiel mit den Geldern bankrotter Firmen die laufenden Kosten seiner Praxis finanziert und sich obendrein einen verschwenderischen Lebensstil gegönnt. Das Landgericht Aachen verurteilte ihn 2006 wegen Untreue in 317 Fällen zu vier Jahren Haft.

Die Verlockung, mal eben in die Kasse zu greifen oder auch nur ein paar Büromöbel abzuzweigen, ist auch deshalb so groß, weil sich Unregelmäßigkeiten leicht vertuschen lassen. Wer kann schon beurteilen, ob der Insolvenzverwalter bei der Aufstellung der Inventarliste alle Vermögensgegenstände erfasst? Und wem fällt schon auf, dass ein Liquidator den Maschinenpark zum Schnäppchenpreis an das Unternehmen seiner Frau verhökert, die dann die Ware zum höheren Marktwert weiterverkauft?

Eine fragwürdige Begebenheit trug sich in Aachen zu. Dort betreute Rolf-Dieter Mönning (60) die fallierte Textilfirma Siso. Nach einiger Zeit verkaufte er Siso an einen Fonds. Doch der hatte keine Freude an der Tochter: Siso war bald wieder pleite. Ein neuer Verwalter wurde bestellt. Der registrierte, dass bei Siso ein wertvolles Bild fehlte. Peinlich für Mönning. Er erklärte schriftlich, dass er sich das Bild habe schenken lassen - von der Siso-Geschäftsführung, die er als Insolvenzverwalter selbst eingesetzt hatte. Er sei davon ausgegangen, dass das Bild nicht mehr zum Firmenvermögen gehörte. „Die Schenkung könnte anfechtbar sein", schrieb Mönning im Dezember 2006 nach einer von ihm veranlassten Prüfung und bekundete seine Bereitschaft, das Werk „zurückzugeben oder eine angemessene Ausgleichszahlung zu leisten". Mittlerweile ist das Bild wieder bei Siso.

Der Fantasie der Verwalter sind so gut wie keine Grenzen gesetzt. Nur zu gern werden von einer Schwestergesellschaft teure Gutachten angefordert oder Beratungsverträge an assoziierte Unternehmen vergeben. Alles Bereiche, die kaum kontrolliert werden. Die Insolvenzordnung verpflichtet die Verwalter nicht einmal, für jede Firma ein eigenes Anderkonto zu führen. Und es ist auch nicht festgeschrieben, in welchen Abständen den Gerichten im Verlauf des Verfahrens Einnahmen- und Ausgabenrechnungen vorgelegt werden müssen. Lediglich ein Schlussbericht ist zwingend. „Das wuchert alles vor sich hin", bedauert Siegried Beck (62), der dem Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) vorsitzt.

(...)
Weiter siehe http://www.manager-magazin.de/extra/art ... 91,00.html (noch nicht freigeschaltet; vermutlich in einer Woche)

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