Kein Spaßbad in Potsdam

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k.moestl
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Kein Spaßbad in Potsdam

Beitrag von k.moestl »

Märkische Allgemeine Zeitung
23.06.2007
Über Niemeyer-Pläne wächst Gras
Ende der Hängepartie ist eine herbe Enttäuschung für Potsdams Oberbürgermeister

VOLKMAR KRAUSE
KLAUS D. GROTE


POTSDAM Vielleicht haben sich viele Potsdamer vom geplanten Spaßbad verabschiedet, als am Brauhausberg das erste frische Grün zu sehen war. Auf der für den Badetempel vorgesehene Brache, wo zwischenzeitlich bereits nach Weltkriegsbomben gesucht worden war, wächst jetzt Rasen. Knapp vier Millionen Euro hatten sich die Stadtwerke als potenzieller Badbetreiber die Herrichtung des 15 000 Quadratmeter großen Baufeldes kosten lassen. Am Donnerstagabend kam das Aus für das ehrgeizige Projekt. Telefonisch informierte Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) den Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) darüber, dass das Projekt nicht förderfähig sei. Um Zuschüsse aus der "Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regionalen Infrastruktur" zu erhalten, hätte die Mehrzahl der zu erwartenden Badegäste nicht aus einem Umkreis von 50 Kilometern kommen müssen, sondern von weiter her. Für Jakobs brach eine Welt zusammen. Bis zuletzt hatte die Stadtspitze gehofft, aus dem von Land und Bund zu gleichen Teilen finanzierten Fördertopf 24 Millionen Euro zu erhalten. Das an umgestülpte Suppenschüsseln erinnernde Schwimmparadies – vom brasilianischen Stararchitekten Oscar Niemeyer entworfen – sollte in einer bereits abgespeckten Variante immerhin noch 29,6 Millionen Euro kosten. Den Rest wollten die Stadtwerke beisteuern.

Das Gezerre um das Spaßbad hielt mehr als zweieinhalb Jahre an. Dabei schwankten die Gesamtkosten immer wieder hin und her, eine Ausschreibung hat es nie gegeben. 2005 lehnte Junghanns einen Förderantrag ab, der die Kosten für den kühnen Kuppelbau mit fast 39 Millionen Euro bezifferte. Der Niemeyer-Entwurf wurde abgespeckt, um die Gesamtkosten unter die 30-Millionen-Euro-Grenze zu bringen. Die veränderte Variante bezog auch die aus DDR-Zeiten stammende benachbarte Schwimmhalle mit ein. Man war sogar bereit, auf den geplanten Thermalbereich zu verzichten, um nicht in Konkurrenz mit bestehenden Bädern zu geraten. Das Bad wurde schließlich zum Streitpunkt im Kabinett. Finanzminister Rainer Speer, gleichzeitig Potsdamer SPD-Unterbezirkschef, war stets ein Befürworter des neuen Bades. Junghanns hielt die Pläne von Anfang an für überdimensioniert und bezweifelte, dass die Stadtwerke als Bauherr und Betreiber der Schwimmoase dafür jemals die nötige Finanzkraft aufbringen könnten. Er fürchtete sich vor einer weiteren Millionenpleite. Das nur mäßig ausgelastete Tropenparadies "Tropical Islands" in einer Traglufthalle in Brand (Dahme-Spreewald) war bereits mit Landesmitteln erheblich bezuschusst worden. Das geförderte Thermalbad in Belzig (Potsdam-Mittelmark) steckt seit Längerem in ernsten Schwierigkeiten.

In Potsdam pokerte man derweil hoch. Die Stadtwerke verkündeten voller Optimismus, dass das Spaßbad, das 2009 fertiggestellt sein sollte, jährlich etwa 475 000 Besucher anziehen werde. Bei den Betriebskosten errechnete man sich ein Plus von 176 000 Euro pro Jahr. Ein von der Landesinvestitionsbank in Auftrag gegebenes Gutachten der Düsseldorfer Unternehmensberatung Altenburg kam nur auf 420 000 Besucher. Die Studie warnte vor einem jährlichen Defizit zwischen 900 000 und 1,2 Millionen Euro.

"Wir haben so viele Gutachten gemacht. Ich kann nicht nachvollziehen, warum gerade Altenburg entscheidend sein soll", sagte Jakobs. Wiederholt kritisierte er die späte Entscheidung zu einem Zeitpunkt, an dem schon viel Geld ausgegeben worden sei. Immerhin sei nun eine Hängepartie beendet. Er werde Oscar Niemeyer das Scheitern seines Entwurfs am Wochenende telefonisch mitteilen, kündigte Jakobs an. Der 99 Jahre alte Architekt der Stadt Brasilia wird es verkraften. Immerhin kassierte er für einen seiner vielleicht letzten Entwürfe bereits 700 000 Euro.
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... 022/62249/
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Märkische Allgemeine Zeitung
23.06.2007
Potsdam: Aus für Niemeyer-Spaßbad
Wirtschaftsminister hält Projekt überraschend für nicht förderfähig / Stadt enttäuscht


POTSDAM Das vom brasilianischen Stararchitekten Oscar Niemeyer für Potsdam entworfene Freizeitbad ist gescheitert. Die Wirtschaftsministerien von Bund und Land halten das Bad für nicht förderfähig. Die Stadt hatte mit einem Zuschuss von 23 Millionen Euro für das knapp 30 Millionen Euro teure Spaßbad am Brauhausberg gerechnet.

"Ohne Förderung können wir kein Freizeitbad bauen", sagte gestern der sichtlich enttäuschte Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) hatte Jakobs die Ablehnung am Donnerstag telefonisch mitgeteilt. Entscheidend für das Ministerium waren die Aussagen einer jüngst von der Landesinvestitionsbank (ILB) beauftragten Studie. Demnach gilt das Bad als zu lokal, um es als touristische Infrastrukturmaßnahme fördern zu können. Dies wäre aber Voraussetzung für die Zuschüsse von Bund und Land gewesen. Jakobs zeigte sich daher überrascht. Er sei davon ausgegangen, dass immer zuerst die grundsätzliche Förderfähigkeit geprüft werde. Wie Jakobs kritisierte auch Finanzminister Rainer Speer (SPD), dass dies erst nach gut zwei Jahren geschehen sei. Die Hinhaltetaktik habe die Stadt viel Zeit, Mühe und Geld gekostet.

In das vorgesehene Baufeld sind bereits vier Millionen Euro investiert worden. Nun soll die vorhandene Schwimmhalle saniert werden. Potsdam hatte den ersten Förderantrag im Dezember 2004 gestellt. Es habe immer wieder Nachbesserungen im Sinne des Wirtschaftsministeriums gegeben, so Jakobs. Dabei hätten Ministerium und ILB die touristischen Effekte des Bades nie in Frage gestellt. Der Oberbürgermeister verlangte deshalb eine genaue Aufklärung, einen Rücktritt lehnte er ab.

Potsdams Grüne rügten, Junghanns und Jakobs hätten sich nicht mit Ruhm bekleckert.
kd
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... 045/62249/
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Märkische Allgemeine Zeitung
23.06.2007
Stadtwerkechef zum Spaßbad-Aus: "Das hätte man uns früher sagen sollen"
Parteien fordern schnelle Sanierung der alten Schwimmhalle am Brauhausberg

RAINER PLAGEMANN

MITTE Die Enttäuschung sitzt tief über das gestern verkündete Aus für das NiemeyerBad. Aber auch Wut spielt mit, dass die Ablehnungsargumente des Bundes nicht früher zur Sprache kamen. "Die Begründungen hätte man schon längst vortragen können", ärgerte sich Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen: "Wir hatten vier Jahre mit dem Badprojekt zu tun, anfangs als Versorger für das Projekt von Weber in Drewitz, zuletzt zwei intensive Jahre mit Niemeyer am Brauhausberg. Wir haben unsere Leute gequält. Jetzt können sie sich wieder anderen Aufgaben zuwenden." Er halte das Niemeyer-Bad immer noch immer für ein "tolles Projekt", bekräftigte Paffhausen. Es wäre "eine Attraktion für Potsdam" gewesen und hätte wirtschaftlichen Erfolg gehabt: "Daran ändern für mich auch die Gutachten nichts."

Der Brasilianer Niemeyer habe sich Anfang November 2004 gefreut, ein Freizeitbad für Potsdam zu bauen: "Jetzt wird er wissen wollen, warum es plötzlich nicht geht." Die Absage werde den Architekten schwer ankommen: "Es sollte sein Lebenswerk abschließen."

Paffhausen hält es für illusorisch, je wieder ein öffentlich finanziertes Freizeitbad in Potsdam zu bauen. Die Stadtwerke müssten jetzt für die Sanierung der Brauhausberghalle sorgen, sagte er; dazu gebe es Szenarien: "Mehr Freizeitanteile, vielleicht ein elegantes Dach ..." Die Sanierung werde wie bei der Halle am Stern zu einem Besucheranstieg führen: "Wir werden etwas vorlegen und von den Stadtverordneten dann die Legitimation bekommen."

Finanzminister und SPD-Unterbezirkschef Rainer Speer erklärte gestern zusammen mit SPD-Stadtfraktionschef Mike Schubert, mit der jetzt vom Wirtschaftsministerium benannten Position hätte eine Förderung für die Landeshauptstadt Potsdam nie in Aussicht gestellt werden dürfen. Die "Hinhaltetaktik des Wirtschaftsministers" habe Potsdam wertvolle Zeit gekostet.

Die Linke-Stadtfraktions-chef Hans-Jürgen Scharfenberg war "nicht völlig überrascht" von der Absage. "Wir waren immer kritisch eingestellt zu dem Projekt und haben immer gesagt, dass es überdimensioniert ist und wir Gefahr laufen, die Bodenhaftung zu verlieren." Die PDS habe einst gefordert, die ausufernden Spaßbadkosten auf 30 Millionen zu begrenzen – das habe eine Abgeordnetenmehrheit abgelehnt, ärgert sich Scharfenberg heute: "Hätte man die Deckelung damals beschlossen, wäre die Sache wohl anders gelaufen." Die Brauhausberghalle müsse schnell saniert und aufgewertet werden. Man könne den Gesundheitsaspekt stärken. Das sei im Sinne der Potsdamer: "Das Freizeitbad war kein Mehrheitswunsch."

Steeven Bretz, Stadtfraktionschef der CDU, hatte die Absage des Bundes erwartet und fordert, das Beste aus der Situation zu machen. Man müsse eine Lösung am Brauhausberg suchen, die möglichst viel von dem bislang ausgegebenen Geld sinnvoll investiert sein lässt. Es sei ein "Fehler" gewesen, "dass man den Niemeyer einst so aus dem Hut gezaubert hat. Das hätte alles transparenter laufen müssen."

Die Grünen hätten das Niemeyer-Bad funktional und ästhetisch als "große Bereicherung für Potsdam" gesehen, fordern nun aber eine schnelle Sanierung der bestehenden Schwimmhalle. Kreis-Chef Jürgen Stelter erklärte, sowohl das "übertriebene Hin und Her des Wirtschaftsministeriums" als auch das "übereilte Handeln der Stadt in der Vorbereitung" hätten dem Ansehen Potsdams geschadet.


Chronologie der Ereignisse

• 13. Feb. 1997: Ein Kanonenschuss gibt an der Brotfabrik in Drewitz den Auftakt für einen Freizeitpark mit Spaßbad.

• Sept. 2003: Die Schwimmhalle Am Stern soll abgerissen und die Halle am Brauhausberg durch einen Nachfolgebau mit höherem Erlebniswert ersetzt werden, empfiehlt ein Bädergutachten des Landes.

• Juli 2004: Das Spaßbad Drewitz wird nicht gebaut. Der Investor, die Unternehmensgruppe Weber, kann kein Finanzkonzept vorlegen. Es folgen mehrfach Verhandlungen.

• Sept. 2004: Die Stadt forciert Alternativ-Planungen zu Drewitz. Letzte Frist für Weber.

• Okt. 2004: Der Hauptausschuss gibt grünes Licht für die Planung eines Spaßbad-Neubaus am Brauhausberg.

• 20. Jan. 2005: Die Stadt präsentiert den Brasilianer Oscar Niemeyer als Entwurfsarchitekten. Die Landes-Architektenkammer protestiert.

• Sept. 2005: Die Baugenehmigung für das Freizeitbad soll am 9. September erteilt werden. Niemeyers Badewelt wird Ende 2007 eröffnet, so Oberbürgermeister Jakobs.

• 12. Nov. 2005: Die Stadt muss nacharbeiten: Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns will wissen, warum Niemeyer den Auftrag erhielt und inwiefern sich durch das Bad touristische Effekte ergeben.

• 1. Dez. 2005: Um den Kern des Niemeyer-Entwurfs zu retten, soll die alte Schwimmhalle einbezogen werden.

• 13. Dez. 2005: Die Stadtverordneten beauftragen Jakobs, mit Junghanns den Bau einer abgespeckten 33 Millionen-Euro-Variante zu verhandeln.

• Feb. 2006: Die Brauhausberg-Halle wird wegen Tragwerksschäden geschlossen.

• 13. Mai 2006: Junghanns fordert, das Spaßbad muss ausgeschrieben werden.

• 17. Aug. 2006: Junghanns besteht nicht länger auf einer Ausschreibung.

• 9. Feb. 2007: Wann der Landesförderausschuss über den Bau des Niemeyerbades beschließt, ist noch immer offen.

• 10. Feb. 2007: Die Stadtwerke haben entgegen der Vereinbarung von 2006 Fördermittel für die Sanierung der alten Schwimmhalle beantragt.
http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... 093/60709/
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