FR vom 21.11.2009: Was sich ändern muss

Alles zum Thema Insolvenzrecht und Insolvenzverwalter allgemein (nicht speziell das CargoLifter-Verfahren)

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FR vom 21.11.2009: Was sich ändern muss

Beitrag von HelmutJ »

Insolvenzen - Was sich ändern muss
VON JUTTA MAIER

Insolvenz als Chance

Nicht erst seit dem Aus für Quelle gibt es Kritik am deutschen Insolvenzrecht. Viele Unternehmen, die eigentlich als sanierungsfähig galten, werden geschlossen. Die Folge: Gläubiger bleiben auf ihren Forderungen sitzen, tausende Arbeitsplätze gehen verloren.

Experten sind der Ansicht, dass das nicht sein muss. Nun hat sich auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in die Debatte eingeschaltet und zehn Vorschläge zur Unternehmenssanierung in der Insolvenz vorgelegt. Auslöser: Die immer noch kaum genutzte Möglichkeit des Plansanierungsverfahrens.

Gerade in der Finanzkrise, so der DIHK, biete das Verfahren kleinen und mittelständischen Betrieben, die zunehmend in Zahlungsschwierigkeiten gerieten, eine Rettungsperspektive. "Wir müssen betroffenen Unternehmen die Scheu nehmen, rechtzeitig von den Möglichkeiten des Insolvenzplanverfahrens Gebrauch zu machen", sagt DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann. Dies sei eine Chance nicht nur für die Gläubiger: Nur so bestehe die Chance, das Unternehmen und Arbeitsplätze zu retten.

Die zentralen DIHK-Forderungen: Gläubiger sollen mehr Mitsprache bei der Auswahl des Insolvenzverwalters haben, die Erarbeitung eines Insolvenzplans in Eigenverwaltung ist zu stärken. Die Regierung hat bereits im Koalitionsvertrag Änderungen angekündigt. Das Justizministerium unter Leitung von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) arbeitet derzeit auf Hochtouren an einem neuen Sanierungsrecht.

Wir stellen die wichtigsten Punkte vor, über die zurzeit in Deutschland diskutiert wird.

Qualifikation des Insolvenzverwalters

Derzeit reicht es zur Qualifikation aus, wenn ein Gericht den Insolvenzverwalter für fähig und unabhängig hält. Insolvenzrecht-Professor Hans Haarmeyer vom Rhein-Ahr-Campus bezweifelt, dass Juristen, die 95 Prozent der Insolvenzverwalter stellen, das nötige unternehmerische Know-how mitbringen. Viele Verwalter versuchten einfach nur, mit wenig Aufwand und Risiko schnell viel Geld zu verdienen, rügt er. Haarmeyer verweist auf Studien, wonach in Deutschland 97 Prozent der insolventen Unternehmen schließen müssen, in Österreich nur 65 Prozent. Nach Angaben des Insolvenzverwalterbandes VID haben von 1800 registrierten Verwaltern nur 600 bis 800 die Qualifikation und Mitarbeiterausstattung für die Betreuung größerer Pleiten. Auch wenn die meisten gute Arbeit leisteten, so Geschäftsführer Daniel Bergner , fordere der Verband eine Qualitätskontrolle der Verwalter in Form einer gesetzlich verankerten Berufsordnung.


Auswahl des Insolvenzverwalters


Bei der Auswahl des Konkursverwalters könnten die Gläubiger künftig ein Mitspracherecht bekommen, zum Beispiel über eine vorläufige Gläubigerversammlung. Anders als etwa in Großbritannien wählen nach derzeitigem Recht die deutschen Gerichte die (vorläufigen) Insolvenzverwalter aus. Abwählen können ihn die Gläubiger erst in der ersten Versammlung, wenn die wichtigsten Entscheidungen bereits getroffen sind. Im Koalitionsvertrag wird angekündigt, das Thema zu prüfen. Experten wie Georg Bernsau, Fachanwalt für Insolvenzrecht, gehen davon aus, dass eine entsprechende Änderung des Rechts eine "Professionalisierung" des Berufs mit sich bringen würde.

Vergütung des Insolvenzverwalters

Hierzulande gehen laut Professor Haarmeyer fast zwei Drittel der Insolvenzmasse für die Bezahlung des Insolvenzverwalters und Gerichtskosten drauf, in Österreich nur 15 Prozent. Für ihn ein Systemfehler. CDU-??? Laurenz Meyer fordert vom Gesetzgeber, Anreize für Konkursverwalter anders zu setzen. So müsse sich die Höhe des Gehalts vor allem an der Zahl erhaltener Arbeitsplätze orientieren.

Förderung von Planinsolvenzen

Aktuellen Zahlen zufolge können beim Einsatz von Planinsolvenzverfahren knapp die Hälfte der Unternehmen fortgeführt und fast 60 Prozent der Arbeitsplätze gerettet werden. Zudem liegen die Quoten für Gläubigerforderungen viel höher als im Regelinsolvenzverfahren. Trotzdem wurde das Planverfahren bisher nur in einem Prozent der Fälle angewendet. Hauptgründe dafür sehen Experten in den Einspruchsmöglichkeiten der Gläubiger, die ihre Zustimmung verweigern und Verfahren so massiv verzögern können. Zudem gibt es wegen der fehlenden Möglichkeit, Kreditforderungen in Unternehmensanteile umzuwandeln, eine "Gerechtigkeitslücke, die schon viele Insolvenzpläne verhindert hat", so der Insolvenzverwalterverband VID. Denn die Gesellschafter profitieren, wenn das Unternehmen saniert wird. Das wirtschaftliche Risiko tragen jedoch die Gläubiger, von denen hohe finanzielle Zugeständnisse erwartet werden. Abhilfe schaffen könnte der aus dem englischen Recht bekannte "Dept-to-equity-swap", die Umwandlung von Forderungen in Gesellschafteranteile.

Förderung aussergerichtlicher Sanierung


In Zukunft könnte es einfacher werden, eine Insolvenz zu vermeiden, indem sich Schuldner und Gläubiger außergerichtlich einigen. Insolvenzplanverfahren würden nicht angenommen, da der Begriff der Insolvenz und der damit verbundene Gang zum Gericht mit einem Stigma behaftet seien, sagt Professor Haarmeyer. Statt der vorgeschriebenen drei Wochen dauere es bis zu

einem Jahr, bis ein Unternehmen Insolvenz anmelde. Durch die "flächendeckende Verschleppung" entstehe der größte Schaden für die Gläubiger, die Befriedigungsquote reduziere sich dadurch auf durchschnittlich 3,45 Prozent. In 63 Prozent der Verfahren kommt es nach Angaben der Gläubigerschutzvereinigung Deutschland (GSV) zu gar keiner Quote. Schwarz-Gelb kündigt im Koalitionsvertrag an, den rechtlichen Rahmen für außergerichtliche Einigungen verbessern zu wollen. Derzeit scheitert dies häufig daran, dass nicht alle Gläubiger - wie vorgeschrieben - dem Verfahren zügig zustimmen. Durch außergerichtliche Verfahren könnte jedoch Zeit und Geld gespart werden. Meistdiskutiertes Vorbild ist das englische CVA (Company Voluntary Arrangement): Danach reicht für einen Vergleich die Zustimmung von drei Vierteln (75 Prozent) der Gläubiger aus.

Aus der Frankfurter Rundschau vom 21.11.2009.

Hier ist der Link:
http://fr-online.de/in_und_ausland/wirt ... t="_blank"

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