Stellungnahme des ehemaligen CL Managements zur WDR Sendung

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Stellungnahme des ehemaligen CL Managements zur WDR Sendung

Beitrag von ZiB-Moderator »

Vom ehemaligen CargoLifter Management erreichte uns folgende Stellungnahme, die auch an die Presse verteilt wurde. Da diese aufgrund der Länge des Textes aller Erfahrung nach wohl nirgends vollständig abgedruckt wird, übernehmen wir es gerne, sie bekannt zu machen. Schließlich dürfte sie jeden unserer Leser durchaus auch in voller Länge interessieren.


Statements zum Bardehle Film "Die Luftnummer" , 10. 2. 2003 WDR III]


Thema "technische Machbarkeit"
Hierzu kann auf die bekannten Aussagen im Zusammenhang mit dem Technical Hearing und der Panorama Sendung verwiesen werden (Statements Prof. Gebhardt etc.). Bezeichnenderweise wurde in der Sendung weder auf die mehrfach bestätigte technische Machbarkeit verwiesen, noch ist einer der auch den Autoren bekannten Fachleute aus dem Hearing zu Wort gekommen. Stattdessen wiederholte der ehemalige Mitarbeiter Camplin die bereits von der Panorama Sendung her bekannte Aussage, dass das Lastaustauschver-fahren gar nicht funktionieren könne, obwohl im Film wenige Minuten später die Demonstration eben dieses Verfahrens mit dem 55 to Minenräumgerät in dem CL 75 in dem Film zu sehen war.

Thema "Joey"
Joey wurde auf der Messe in Leipzig mit dem Modell des sog. Liebherr-Lastaufnahme-rahmens zur Demonstration vorgestellt. Die Flüge dienten aber primär der Validierung der Software zur Berechnung der div. Lasten gegenüber dem LBA. Das Lastaufnahme- bzw- Lastaustauschverfahren wurde mit dem CL 75 mit bis zu 55 to demonstriert und funktionierte einwandfrei. Bezüglich der Anzahl der Flüge von Joey ist nicht die Menge der Flüge entscheidend, sondern die Menge der Daten, die für die Validierung gesammelt werden mußten. Dieses Programm hat Joey erfolgreich abgeschlossen. Als Experimental Airship war Joey nie für Schlechtwetterflüge ausgelegt. Es ist schon bemerkenswert, mit welcher Unkenntnis sich der immer wieder zu Wort kommende Herr Weller "auszeichnet".

Thema "Expo"
In der ersten Sitzung des Arbeitskreises Schwerlasttransporte des VDMA im Oktober 1994 kam die Vorstellung auf, seitens der deutschen Industrie die Chance der für Hannover seinerzeit entschiedenen Weltausstellung zu nutzen, um High Tech aus Deutschland der Weltöffent-lichkeit vorzustellen. Als dies später auch in der Öffentlichkeit als Ziel vertreten wurde, war klar, dass dies nur gelingen kann, wenn auch wirklich die Industrie und Politik sich voll für das Projekt als Vorzeigeprojekt engagieren, was dann leider nicht der Fall war. Dennoch ist es gelungen, CargoLifter mit der Werfthalle als externes Exponat der EXPO zu etablieren und auch mit einem Modell im Themenpark Transport vertreten zu sein.

Thema "Hauptversammlungen"
CargoLifter hat von Beginn an eine sehr offene Informationspolitik gegenüber den Aktionären gepflegt. Dazu gehörte auch, dass die Hauptversammlungen immer mit einem Informations-teil in Bezug auf Markt, Technik und Finanzen verbunden waren. Die Aktionäre und Gäste hatten somit die Gelegenheit, ihre Fragen im persönlichen Gespräch direkt an das Manage-ment und die Mitarbeiter zu richten. Es kann also keine Rede davon zu sein, die Mitarbeiter mundtot zu machen. Vielmehr waren solche Gespräche und Diskussionen ausdrücklich gewünscht und eine Teilnahme der Mitarbeiter an den Hauptversammlungen wurde vom Management unterstützt und gefördert. Ebenso erfolgte im Rahmen der zu erstellenden Due Diligence Berichten eine direkte Kommunikation zwischen den externen Gutachtern und den verantwortlichen Mitarbeitern in der Entwicklungsgesellschaft. Obwohl die CargoLifter Aktionäre ihre Verpflegung auf den Hauptversammlungen von Beginn an selbst bezahlen mußten, herrschte auch gerade wegen der Informationsmöglichkeiten stets ein hohes Interesse mit jeweils rd. 5.000 Teilnehmer seit 1999. Die im Film widergegebene Hauptver-sammlung fand im übrigen in einem Zelt statt, das deshalb verdunkelt werden mußte, damit die Aktionäre die Präsentation der Technik und Bilanzzahlen mit dem Beamer auch sehen konnten - und nicht etwa, um hier eine "Messe" zelebrieren zu wollen, wie Herr Ferris meinte.


Thema "Kostenplanung/Zeiten"
CargoLifter wurde vom Markt aus entwickelt. Basierend auf den Marktanforderungen wurde das Pflichtenheft für den CargoLifter erarbeitet. Auf Grund der geforderten Eigenschaft als "fliegender Kran" wurde letztlich die Leichter-als-Luft-Technologie ausgewählt. Im Hinblick auf die notwendige Größe war klar, dass hier ein außergewöhnliches Luftfahrtgerät entwickelt und gebaut werden mußte, das es in dieser Form noch nicht gab. Durch ein Expertenteam wurde im Zusammenhang mit der VDMA Studie in 1995/6 auch ein erstes technisches Grobkonzept inkl. des Lastaufnahmeverfahrens erstellt. Aufbauend auf diesem Konzept wurde 1997 ein Pflichtenheft und eine technische Grundkonzeption entwickelt, die auch Basis für eine Kosten- und Zeitenplanung war. Diese Top Down Planung wurde dann mit dem schrittweisen Aufbau des Entwicklungsteams kontinuierlich überarbeitet. Dabei ergaben sich immer wieder Ereignisse in der Entwicklung, die zeigten, dass einige der angestrebten Lösungen zu einer deutlichen Überschreitung der Gewichte, Kosten oder Zeiten führen würden. Dies führte in Teilbereichen auch zu grundlegenden Veränderungen der Konzeption, wie beispielsweise bei dem ursprünglich aus Kohlefaserelementen ge-planten Kiel, der Konfiguration des Lastaufnahmerahmens oder der Triebwerke. Über diese Änderungen hat CargoLifter auch seine Aktionäre regelmäßig in den LifterNews und in den Geschäftsberichten sowie auf den Hauptversammlungen informiert.

Um solche Entwicklungen möglichst frühzeitig zu erkennen, wurden entsprechende Controllingtools eingeführt. Die Aufgabe des Managements ist es dabei nicht, die danach erkennbaren Überschreitungen ohne weitere Diskussion zu akzpetieren und sie auch zur neuen Leitlinie zu erheben, sondern die Aussagefähigkeit und Ursachen dafür zu eruieren, um dann Maßnahmen einzuleiten, die die drohende Überschreitung vermeiden oder zumin-dest reduzieren. Bei CargoLifter wurden dazu auch die in der Luftfahrt üblichen Standards der Vorgehensweise verwendet. Dazu gehören auch die typischen Meilensteine des Con-ceptual Design Reviews, des Systems Design Reviews und des sogenannten Preliminary Design Reviews, bei denen die jeweiligen Ergebnisse einem auch mit externen Experten zusammengesetzten Reviewboard präsentiert wurden. Zusätzlich wurden im Zusammenhang mit den einzelnen Kapitalmaßnahmen die Planungen von CargoLifter sogenannten Due Diligencen im technischen, finanziellen und juristischen Bereich unterworfen, wozu ebenfalls externe, unabhängige Gutachter von den Banken bestellt wurden. Eine besonders intensive Überprüfung galt dabei der dem Börsengang im Frühjahr 2000 zugrundeliegenden Planung.

Die im Beitrag zitierte "Planung" vom Sommer 2000 war das Zusammentragen von Daten aus dem Bereich Technik durch Abfrage der Projektleiter. Derartige Erhebungen weisen typischerweise zunächst wesentlich höhere Werte auf, als die Top-Down Planungen, da die einzelnen Mitarbeiter häufig die Ansätze überschätzen, schon allein im Hinblick auf die dann typischerweise einsetzende Diskussion über die entsprechenden Budgets und deren Kürzungen. Die einige Wochen nach dem Börsengang von dem angeblichen "Geschäfts-führer" vorgestellte Ausarbeitung beruhte zudem auf einen Designstand vor dem Systems Design Review. Als Ergebnis des im Juni 2000 stattgefundenen umfangreichen Reviews war von der Entwicklungsleitung beschlossen worden, das äußerst komplexe System mit ins-gesamt 16 Triebwerke und den sog. "Power Wings" einer grundlegenden Überprüfung zu unterziehen. Ein spezifisch zusammengesetztes Team erarbeitete in den Folgemonaten das sog. Plattform Konzept, das dem Vorstand und Aufsichtsrat im November 2000 zur Verab-schiedung vorgestellt wurde. Basierend auf diesem Konzept wurden dann auch die Kosten- und Zeitplanungen überarbeitet und in einem sog. In-Prozess-Review im Februar/März 2001 verabschiedet. Die daraus resultierenden technischen Änderungen sowie die neu ermittelten Kosten- und Zeitrahmen wurden unmittelbar darauf auf der Hauptversammlung 2001 den Aktionären präsentiert. Diese lagen zwar über den alten Werten, aber bei weitem nicht in der Größenordnung wie dies in den vorgestellten Unterlagen damals angegeben wurde.

Solche Prozesse sind in der Luftfahrt Standard. Abweichungen in der voliegenden Größen-ordnung sind durchaus im Rahmen des Üblichen, wie ein Vergleich zu den sich sukzessive erhöhenden Entwicklungs- und Stückkosten des Airbus 380 oder des 400 M zeigt. Bei CargoLifter kommt noch die Besonderheit dazu, dass es sich um ein Fluggerät mit einer Technologie handelt, die im Gegensatz zu Tragflächenflugzeugen auf vergleichsweise wenig erprobte Standards und Zahlen zurückgreifen konnte, so dass hier die Ansätze und Ansichten teilweise weit auseinanderlagen. Dies führte auch innerhalb des Entwicklungs-teams zu häufig grundsätzlichen Diskussionen über die Vorgehensweise, wobei hier nicht nur die "Leichter-als-Luft-Welt" auf die "Fixed Wing-Welt" traf, sondern auch Unterschiede in der Vorgehensweise z.B. der damaligen amerikanischen Führung zu den deutschen Ingenieuren zu Tage traten.

Dabei ist zu bemerken, daß die Führung des Entwicklungsprozesses eigenverantwortlich in den Händen des sog. Entwicklungsleiters lag und das Führungsteam der dafür zuständigen Entwicklungsgesellschaft in diesen Punkten über ein hohes Maß von Eigenverantwortung verfügte. Eine der besonderen Herausforderungen an das Management bei diesem Projekt war es dabei auch, im Hinblick auf die eben im Vergleich zu normalen Flugzeugen nicht feststehenden Erfahrungswerte eine offene Diskussion aufkommen zu lassen, um die Be-denken und Anregungen der unterschiedlichen Meinungen schon allein aus Sicherheits-gründen auf den Tisch zu bringen und sich nicht zu früh auf eine bestimmte Richtung festzu-legen, die sich dann später als problematisch herausstellt und hohe Änderungskosten verur-sacht. Dabei war es selbstverständlich, dass diese Diskussionen vertraulich zu behandeln sind und die Unterlagen unter Verschluss zu halten sind. Dazu gehört auch, dass nicht Kopien im Unternehmen herumgereicht werden oder solche Daten auf allgemein zugäng-lichen Servern gelagert sind. Erst nach sorgfältiger Überprüfung und Abwägung konnte das Management seine Entscheidung treffen, die dann auch in Form der verabschiedeten neuen Planung der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Thema "Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen"
CargoLifter hat von Beginn an ein Rechnungswesen aufgebaut, das den Anforderungen an ein international anerkanntes Rechnungswesen gerecht wurde. Sämtliche Bilanzen sind von anerkannten Wirtschaftsprüfern geprüft und in Ordnung befunden worden. In den Bilanzen wie auch den veröffentlichten Quartalsberichten sind regelmäßig auch die nach den strengen US-GAAP Bilanzierungsvorschriften angefallenen Kosten für die Entwicklung aufgeführt. Diese beliefen sich zum Zeitpunkt des letzten veröffentlichten Berichtes kumulativ auf rd. 170 Mio Euro. Allein im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2001/02 wurden über 30 Mio Euro für den F & E Bereich aufgewendet, der heruntergebrochen bis auf die einzelnen Systeme nachvollziehbar ist. Eine Aussage des Herrn Weller, dass nach seinen Berechnungen insge-samt nur rd. 70 - 80 Mio Euro für die Entwicklung aufgewendet wurden, ist schlichtweg falsch.

Thema "Insolvenz"
Auch wenn bedauerlicherweise CargoLifter Ende Mai bzw. Anfang Juni Insolvenz anmelden mußte, so geschah dies nicht mit völlig leeren Konten. Zu dem Zeitpunkt der Anmeldung verfügte das Unternehmen auch nach Abführung selbst der Sozialabgaben für den Monat Mai immer noch über Barguthaben in Höhe von rd. 5,5 Mio Euro, wovon ca. 1 Mio Euro zur freien Verfügung stand. Die Unternehmensleitung hat sich auch von anerkannten Fachleuten in dieser kritischen Phase beraten lassen und hat sich bezüglich der Anmeldung der Insol-venz strikt an die Empfehlungen der Fachleute gehalten. Wer den Film aufmerksam verfolgt hat, konnte hier sehr wohl eine wohl einmalige Aufbauleistung eines hochmotivierten Teams verfolgen, die mit einem Bauherrenmodell wohl nichts gemeinsam hat. Dass der Lastballon CL 75 bei dem Jahrhundertsturm zerstört wurde und dies als "Glücksfall" in einer Presse-mitteilung dargestellt wurde, geschah im übrigen nicht mehr unter der Leitung des alten Vorstandsvorsitzenden und Unternehmensgründers.

Es ist sehr bedauerlich, dass die intensiven Bemühungen zur Rettung des Unternehmens und damit auch die Chance zur Umsetzung der Potenziale dieser Technologie im Mai 2002 letztlich gescheitert sind, da die knappen zur Verfügung stehenden Gelder des Landes in 2002 nahezu ausschließlich in die Chip Fabrik des Ministers flossen und auch das Bundes-wirtschaftsministerium eine Unterstützung der Leichter-als-Luft Technologie als "kontrapro-duktiv" bezeichnete, da dies "doch den anderen das Geld wegnimmt". Bemerkenswerter Weise sind bei CargoLifter staatliche Gelder nur im Zusammenhang mit dem Bau der Werft-halle gewährt worden, wie dies Herr Öhler in dem Interview zutreffend dargestellt hat. Diesen rund 40 Mio. Euro stehen die 300 Mio. Der Aktionäre gegenüber, somit eine sicherlich für die Luft- und Raumfahrt geringe Förderquote. Es ist sicher auch bemerkenswert, wie viele der mühsam innerhalb von rd. 6 Jahren geschaffenen Werte in rd. 6 Monaten zerstört wurden bis hin zu den 500 Arbeitsplätzen in dieser Region. Dennoch bestehen nach wie vor Chancen, die Potenziale der Technologie an diesem dafür weltweit einzigartigen Standort zu nutzen - nur sollte das auch unter Berücksichtigung der Interessen derjenigen erfolgen, die es ermöglicht haben, dies zu schaffen - den Aktionären. Vielleicht endete der Film ja nicht umsonst mit dem Bild der Aktionäre, die sich weiterhin für eine Zukunft in Brand einsetzen.


Berlin, den 11. Februar 2003

5dim
CL 160
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Beitrag von 5dim »

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, öffentlich meinen herzlichen und aufrichtigen Dank gegenüber dem CL-Management zum Ausdruck zu bringen. Wenn ich an die Anfangszeiten der Luftschiff-Fahrt zurückdenke, ist es für mich sehr merkwürdig zu sehen, wie sich in Deutschland die Geschichte diesbezüglich zu wiederholen scheint, auch wenn die 'Nationalspender' von einst (beim Zeppelin)heute eher als 'Kleinaktionäre' (bei CargoLifter) auftreten. Damals wie heute ist das Projekt 'Riesenluftschiff' (wie es die Presse- und Fensehleute bezeichen) erheblich gefährdet. Immerhin konnte der Graf Zeppelin noch von der Nachfrage nach Reklame-Lizensen profitieren, während die Luftschiffe heute eher selber Werbeträger sein müssen. Leider ist die Rolle der Politik früher wie heute eher zwiespältig zu beurteilen; wurde Zeppelin seinerzeit in der Pionier-Phase noch vom König von Württemberg unterstützt, so zerstörten die Nazi-Machthaber schließlich alles bis auf die bloße Idee. Was werden unsere heutigen Politiker im Hinblick auf die CargoLifter AG tun?

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