Junghanns-Interview und Leserbrief

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pestw
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Junghanns-Interview und Leserbrief

Beitrag von pestw »

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Das Unternehmer-Gefühl

Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns bilanziert fünf Jahre CDU-Politik


Verunglückte Großprojekte, der Rücktritt von Wolfgang Fürniß - die Wirtschaftspolitik der CDU in den vergangenen fünf Jahren war nicht gerade eine Erfolgsgeschichte. Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns kann ihr trotzdem etwas abgewinnen: Es wurde Verständnis für die Sicht der Unternehmer geweckt. Mit Junghanns sprach Mathias Richter.


Ein fast abgewickelter Chemiefaserstandort Premnitz, ein abgestürzter Cargolifter, ein Lausitzring, auf dem die Betreibergesellschaft aus der Kurve geflogen ist und ein geplatzter Chipfabrik-Traum. Sollte mit der CDU im Wirtschaftsministerium nicht alles anders werden?

Junghanns: Die CDU ist mit dem Anspruch angetreten, dass die wirtschaftspolitische Sicht im Land geschärft werden muss. Wir wollen Verständnis aufbauen, wie eine über globale Märkte vernetzte Wirtschaft funktioniert. Deshalb haben wir 1999 in die Speichen derjenigen Projekte gegriffen, die schon angelegt waren. Dazu gehörte im übrigen auch die Chipfabrik.

Der Anspruch war, es besser zu machen. Wo ist das ihrer Ansicht nach sichtbar geworden?

Junghanns: Sichtbar ist, dass wichtige Wirtschaftszweige solide wachsen.

Welche sind das?

Junghanns: Die Dienstleistungsbranche, das verarbeitende Gewerbe, die Industrie sind die Kraftzentren der Brandenburger Wirtschaft geworden. Leider wird dies einerseits durch den Einbruch der Baubranche überdeckt, anderseits haben die Unternehmen auf Grund der national wie international schwierigen Konjunkturentwicklung zu kämpfen. Zudem hat sich die Investitionsfähigkeit der öffentlichen Hand dramatisch verschlechtert.

Damit haben aber alle Länder zu kämpfen.

Junghanns: Genau, und deshalb kam es in dieser Wahlperiode darauf an, die Distanz zwischen Politik und Wirtschaft zu verringern. Die CDU hat in den vergangenen fünf Jahren den Blick für die Belange der Unternehmen im Land geschärft. Das war eine Abkehr von der Symbolik der Großprojekte.

Sie haben doch anfangs selbst an Großprojekten festgehalten.

Junghanns: Aber wir haben die Vorhandenen anders angepackt. Wir haben zum Beispiel beim Lausitzring gesagt, wir gehen jetzt solide vor und orientieren uns an der Wirtschaftlichkeit. Das Risiko ist seitdem überschaubar. Beim Cargolifter haben wir den wirtschaftlichen Ruin akzeptiert und damit das Feld für einen neuen Investor bereitet, der das Risiko für Tropical Island selbst trägt.

Warum ist man bei der Chipfabrik erneut ein hohes Risiko für das Land eingegangen?

Junghanns: Ich habe das Projekt nach meinem Amtsantritt unter den Gesichtspunkten Businessplanung und Bankenfinanzierung neu bewertet. Das musste stehen, bevor ich bereit war, die Bürgschaft zu beantragen. Und wenn das geklappt hätte, wäre alles gut gelaufen.

Dem Wirtschaftsministerium wurde aber gerade von Unternehmerseite lange vorgeworfen, man kümmere sich um Großprojekte und vernachlässige den Mittelstand. Wurde nicht am Anfang dieselbe Politik gemacht wie zuvor von der SPD?

Junghanns: Vor allem beim Lausitzring war doch klar, dass der nicht auf Grund einer falschen Wirtschaftspolitik gescheitert ist, sondern weil der Hauptinvestor, die Bankgesellschaft, in die Knie gegangen ist. Die Bankenpleite in Berlin hat dem Lausitzring das Genick gebrochen.

Was ist an einer Politik richtig, die ernsthaft glaubt, mit einer Rennstrecke 1500 Jobs in eine Region bringen zu können?

Junghanns: Die Chance, die eine solche Rennstrecke verdient, um sich zu profilieren, konnte doch auf Grund der schlechten Rahmenbedingungen gar nicht genutzt werden. Die Insolvenz hat das Projekt natürlich zurückgeworfen. Aber wir müssen eben das Urteil des Marktes über uns ergehen lassen. Darauf hat die CDU immer bestanden. Deshalb haben wir auch in Premnitz eine Punkt gemacht, so schmerzhaft das war.

Und der Mittelstand?

Junghanns: Wirtschaftspolitik muss auf mehreren Ebenen ansetzen: Wir haben einen aktiven Mittelstand, dem wir, wo es geht, unter die Arme greifen. Gleichzeitig war es notwendig, größere Investitionen ins Land zu holen, wie zum Beispiel den Windanlagenbauer Vestas in Lauchhammer oder den italienischen Keramikhersteller Porcelaingres in Vetschau. Wir müssen dafür sorgen, dass es zu Verkettungen zwischen den kleinen und den größeren Betrieben kommt, damit eine stabiler Mittelstand im Land entsteht.

Sie haben immer gesagt, Ihr Großprojekt hieße Mittelstand. Hat die CDU-Wirtschaftspolitik erst mit dem Rücktritt von Wolfgang Fürniß begonnen?

Junghanns: Nein, die CDU hat sich generell darauf konzentriert, diejenigen im Land zu unterstützen, die das Wachstum tragen: die Unternehmer nämlich. Denn nur durch Wachstum entstehen Arbeitsplätze.

Was ist ihr konkreter Beitrag?

Junghanns: Ich habe auf die tatsächlichen Entwicklungen der Brandenburger Wirtschaft reagiert. Dafür wurde die Zukunftsagentur umgebaut, dafür wurden die jüngste Standortstudie und die Imagekampagne gemacht. Ich baue darauf, dass das Maß für den Erfolg der Wirtschaft Brandenburgs der Erfolg der Firmen auf dem Markt ist und nicht der Sieg im statistischen Vergleich über Baden-Württemberg.

Bedeutet das nicht, dass Sie auf handfeste Erfolge noch eine Weile warten müssen?

Junghanns: Doch, aber leere Versprechungen helfen nicht weiter. Ich konnte in den zwei Jahren als Wirtschaftsminister nicht mehr machen, als die Richtung bestimmen.

Wie macht man damit Wahlkampf?

Junghanns: Indem ich in den Argumenten geradlinig bleibe.

Sie haben Argumente für Unternehmer. Wie erklären Sie dem arbeitslosen Hartz IV-Gegner ihre Politik?

Junghanns: Ich habe dieses Gesetz gewollt, weil es sozialpolitisch notwendig ist. Ansonsten sage ich dem Arbeitslosen: Als Wirtschaftsminister konzentriere ich mich darauf, wie Arbeit entsteht. Und die entsteht nun mal in Unternehmen. Deshalb sage ich aber auch den Unternehmern, dass es nicht sein kann, dass sie jetzt wieder vor einem zweiten Arbeitsmarkt warnen. Ich erwarte von den Unternehmern, dass sie die Hartz-Gesetze nutzen und neue Arbeitsplätze schaffen.

pestw
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Beitrag von pestw »

Leserbrief zum Interview mit Wirtschaftsminister Junghanns "Das Unternehmer-Gefühl" vom 8.9.
erschienen am Montag, 20.9.

Repräsentanten der Privatinvestoren werden abgewiesen

"Bei Cargolifter haben wir den wirtschaftlichen Ruin akzeptiert". "Wir haben in die Speichen derjenigen Projekte gegriffen, die schon angelegt waren", ...
Diese Willkür, zu entscheiden, wer überleben darf, kennzeichnet den Dilettantismus der Brandenburger Wirtschaftspolitik der letzten Jahre. Besonders augenfällig wird diese Ungerechtigkeit beim Vergleich CargoLifter – Chipfabrik. Zwar litt CargoLifter unter der rezessionsbedingt mangelnden Investtitionsbereitschaft der Weltwirtschaft, konnte aber noch wenige Wochen vor dem Insolvenzantrag bedeutende verbindliche Absichtserklärungen (LOIs) mit Boeing (USA) und Aviaholding (Russland) verkünden, einen Kaufvertrag über einen arktis-tauglichen Transportballon plus 25 Optionen abschließen. Und Cargolifter beschloss, das Luftschiff-Projekt vorübergehend einzufrieren zu Gunsten des Ballon-Projektes. Sie hatte bereits 498 Arbeitsplätze in einer echten Zukunftsbranche geschaffen; laut IHK waren 2000 Arbeitsplätze von CargoLifter abhängig. Doch das Wirtschaftsministerium war wohl bereits darauf festgelegt, "den wirtschaftlichen Ruin zu akzeptieren" und steckte statt dessen sämtliche verfügbaren Mittel in die Chipfabrik. Diese hatte noch keine Arbeitsplätze und schon damals wurde gemunkelt, dass nur Intel und Dubai von ihr profitieren würden, nicht jedoch Brandenburg.
Wirtschaftsminister Junghanns und sein Vorgänger Fürniß bildeten sich ein, die Wirtschaft "Verständnis" lehren zu müssen, "wie eine über globale Märkte vernetzte Wirtschaft funktioniert". Dabei waren sie nicht in der Lage zu erkennen, wo wirkliche Zukunftspotentiale für das Land bestehen. Siebzigtausend private Kapitalgeber haben über 300 Millionen Euro in ein zukunftsträchtiges Unternehmen investiert und waren auch ein bisschen stolz darauf, damit etwas für die Wirtschaft eines benachteiligten östlichen Bundeslandes zu tun. Zum Dank dafür werden die Repräsentanten dieser Privatinvestoren heute vom Wirtschaftsminister behandelt wie Verbrecher; ihre Gesprächswünsche werden unhöflich zurückgewiesen. Ob das einfältige Gerede von der Förderung des Mittelstands und der Abkehr von Großprojekten das Land voran bringt, darf bezweifelt werden. Woher soll der Mittelstand seine Aufträge bekommen, wenn nicht von Großunternehmen mit hohem Forschungsanteil? Von Privathaushalten sicher nicht, denn die sind mangels Großprojekten zum großen Teil arbeitslos und müssen jeden Cent umdrehen.

Wolfgang Pest
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rudipap
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Beitrag von rudipap »

Sehr guter Leserbrief.
Danke Wolfgang

Gruß
Rudi

Beate Kalauch
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Beitrag von Beate Kalauch »

Hallo Matthias,

lesen Sie soetwas auch? Was sagen Sie dazu?

Beate Kalauch

pestw
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Beitrag von pestw »

Beate Kalauch hat geschrieben:Hallo Matthias,

lesen Sie soetwas auch? Was sagen Sie dazu?

Beate Kalauch
Ach nee - lass mal. Der meldet sich schon noch früh genug. So viel Neues bringen seine "Beiträge" auch wieder nicht, dass man ihn extra auffordern muss... :roll:

pestw
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Beitrag von pestw »

Das fand ich heute im Wirtschaftsteil meiner Zeitung:

Frankreich rüstet sich für Wirtschaftskrieg

Paris. (dpa) Frankreich rüstet sich für den Wirtschaftskrieg um Hoch-technologien. Ausländischen Mächten soll es erschwert werden, mit Fir-menkäufen die französische Techno-logie zu plündern. Anlass ist der Erwerb strategischer Firmen durch US-Investoren. Innenminister Do-minique de Villepin gründete am Donnerstag eine „Zelle für Sicherheit der Wirtschaft", die innovativen Unternehmen zu Hilfe eilen soll. Von 16000 erfinderischen Unternehmen seien 1000 in heiklen Branchen tätig, sagte de Villepin. Frankreich sei einer doppelten Bedrohung ausgesetzt, sagte de Villepin. Beschäftigung gehe verloren und die Industrie werde ausgeplündert. „Wir müssen uns organisieren und unseren Unternehmen helfen, um Herr unseres Schicksals zu bleiben.“ Die Präfekten wurden angewiesen, die „strategisch bedeutsamen Unternehmen in ihrer Region zu identifizieren und das technologische Erbe besser zu schützen“.

Was den Franzosen offenbar fehlt, ist jemand wie Wirtschaftsminister Junghanns, der bei den Firmen "Verständnis" aufbaut, "wie eine über globale Märkte vernetzte Wirtschaft funktioniert".

Oder??
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