Airbus in der Krise - Eine Analogie zur CL Geschichte?!

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hilgenberg
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Airbus in der Krise - Eine Analogie zur CL Geschichte?!

Beitrag von hilgenberg »

EADS
A380-Krise wird zum Debakel für Airbus


gefunden: ttp://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,440580,00.html

Die Auslieferung des ersten Großraumflugzeugs A380 verzögert sich um ein weiteres Jahr. Der EADS-Konzern erwartet Gewinneinbußen von 4,8 Millarden Euro in den Jahren bis 2010. Über eine Produktionsverlagerung von Hamburg nach Toulouse wird vorläufig nicht entschieden.

Hamburg/Paris - Die Schieflage bei Airbus und dem Mutterkonzern EADS ist noch schlimmer als bisher angenommen: Der in Turbulenzen geratene Flugtechnikkonzern verschiebt die Auslieferung des Super-Airbus A380 um durchschnittlich ein weiteres Jahr. Dies beschloss die Konzernführung am Dienstag. Über eine mögliche neue Verteilung der Produktion auf die Hauptwerke Hamburg und Toulouse sei nicht entschieden worden, sagte EADS-Co-Chef Thomas Enders in Paris.

Airbus auf dem Jungfernflug im April 2005: Aus dem Wundervogel wurde ein Pleitegeier.
Der erste A380 werde voraussichtlich erst in einem Jahr, im Oktober 2007 an Singapore Airlines gehen. Und das bleibt 2007 die einzige Maschine, die überhaupt ausgeliefert wird. 2008 würden nochmals 13 Maschinen an die Kunden abgegeben, sagte der neue Airbus-Chef Christian Streiff. 2009 werde die Produktion auf 25 hochgefahren. "Erst ab 2010 werden wir eine Produktion von vier A380 pro Monat erreichen." Dann soll das größte Passagierflugzeug aller Zeiten auch erstmals einen positiven Beitrag zum Gewinn vor Steuern liefern.

Bis 2010 rechnet EADS wegen der A380-Verzögerung nun mit einer Belastung des Ertrags vor Steuern und Zinsen (EBIT) um 4,8 Milliarden Euro. Das sind 2,8 Milliarden mehr, als noch im Juli angenommen.

Bisher sei kein einziger Kunde abgesprungen, sagte Streiff weiter. Dies könnte sich allerdings bald ändern. Der größte Besteller, die Fluggesellschaft Emirates teilte am Dienstag mit, sie werde den A380 für 555 Passagiere zehn Monate später erhalten als bisher geplant. Damit addieren sich die Verzögerungen für den mit 43 Bestellungen weitaus größten A380-Kunden auf 22 Monate. Emirates erwägt nun, auf andere Modelle auszuweichen. "Das ist ein sehr großes Problem für Emirates und die Fluggesellschaft prüft jetzt alle Optionen", erklärte Konzernchef Tim Clark. Statt im Oktober 2007 wird Emirates seinen ersten A380 erst im August 2008 erhalten.

Die Lufthansa sei über eine Verzögerung von einem Jahr informiert worden, sagte ein Sprecher. Die erste von 15 bestellten Maschinen solle nun im Sommer 2009 und nicht wie bisher zugesagt im August 2008 geliefert werden. Die erneute Verspätung sei "in dieser Größenordnung überraschend" für die Lufthansa gekommen.

Die Fluggesellschaft Virgin Atlantic hat wegen der neuerlichen Lieferverzögerungen beim Super-Jumbo A380 "ernste Auswirkungen" angekündigt. Bei einer Sitzung des Direktoriums am 12. Oktober würden alle Optionen überprüft, teilte Virgin Atlantic am Dienstag mit. Virgin hat bei Airbus sechs der Super-Jumbos bestellt.

Ein Vertreter der französischen Gewerkschaft FO teilte indessen in Toulouse mit, die Arbeiten an den neuen Airbus-Maschinen könnten wegen der neuen Verzögerungen "gestoppt werden oder für eine bestimmte Zeit verlangsamt werden".

Die jüngste Verzögerung ist bereits die dritte seit dem Start des A-380-Programms. Airbus hatte erstmals im Juni 2005 eine Verzögerung um zwei bis sechs Monate bekannt gegeben. Ein Jahr später kamen dann nochmals sechs bis sieben Monate hinzu.

Vor dem Hintergrund der weiteren Verzögerungen bei der Auslieferung des Airbus A380 kommen Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Airbus-Chef Streiff am Donnerstag zu einem Krisentreffen in Berlin zusammen. Dies bestätigte ein Ministeriumssprecher.

cai/dpa/reuters/afp/ap
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hilgenberg
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Beitrag von hilgenberg »

EADS-Co-Chef Enders stellt Langstreckenflugzeug A350 in Frage
Mittwoch 4. Oktober 2006, 21:40 Uhr


Hamburg (ddp). Nach dem Debakel um das Großraumflugzeug Airbus A380 hat der deutsche EADS-Co-Chef Thomas Enders Zweifel an einem weiteren Milliardenprojekt geäußert. Auf die Frage, ob es auch sein könnte, die Entwicklung des Langstreckenflugzeugs A350 XWB nicht zu starten, sagte Enders der «Financial Times Deutschland» (Donnerstagausgabe): «Das kann ich nicht ausschließen. Angesichts der schwierigen Situation, in der wir uns jetzt befinden und der Tragweite der A350-Entscheidung kann es keinen Automatismus geben.»
Enders deutete an, dass der Gesamtkonzern gefährdet wäre, wenn es beim A350 ähnliche Probleme gäbe wie beim A380. Daher müsse die Entscheidung für das neue Projekt mit Entwicklungskosten von schätzungsweise gut acht Milliarden US-Dollar sorgfältig geprüft werden. Es sei noch keine Entscheidung gefallen. Das im Sommer vorgelegte A350-Konzept sei jetzt überzeugend und die Reaktion der Fluggesellschaften positiv. «Aber natürlich müssen wir für einen Programmstart Konzept und Ressourcen in Einklang bringen.»

Zum A380 sagte Enders, «der A380-Zeitplan war von Anfang an ambitioniert und aus heutiger Sicht vielleicht auch unrealistisch.» Die Krise biete auch Chancen. EADS und Airbus könnten jetzt Tabuthemen angehen. Hierzu gehöre die politisch gewachsene Standortstruktur und Doppelkapazitäten. «Es wird tiefe Einschnitte geben, Airbus braucht die Veränderung", fügte Enders hinzu.

ddp/mar

http://de.biz.yahoo.com/04102006/336/ea ... frage.html
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hilgenberg
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Beitrag von hilgenberg »

A380-Krise
Flügellahmer Gigant


Die Lieferschwierigkeiten beim A380 stürzen das europäische Konsortium Airbus in eine schwere Krise. Das geplante Modell A350 steht auf der Kippe. Werksschließungen drohen. Auch in Hamburg geht die Angst um. WELT.de gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Von Birger Nicolai, Gesche Wüpper, Stefan von Borstel, Wolfgang Ehrensberger

Woher kommen die Probleme in der A380-Fertigung? Ausgelöst wurden sie durch die Elektrik im Flugzeug sowie die Computersoftware der Entwicklungsingenieure. Das Kuriose daran: Es sind nicht die komplexen Systeme der Bordelektronik, sondern ganz einfache Dinge wie Kabelschächte im Fußboden oder in der Kabinendecke, die nicht funktionieren. So passen Kabelbäume nicht in die vorgesehenen Räume unter den Verkleidungen, weil sie viel dicker ausfallen als zunächst geplant. Die Kunden des A380, die Fluggesellschaften, können aus so vielen Varianten etwa für das Bordunterhaltungsprogramm auswählen wie nie zuvor. Mit 480 Kilometern Kabel hat der Airbus als Folge davon doppelt so viele Informationsstränge wie der größte Boeing-Flieger 747. Der Fehler lag dabei im Airbus-System: Konstruiert werden etwa die Kabelschächte in Toulouse, eingebaut werden die Kabel jedoch in Hamburg. Schlimmer noch, die dazu verwendete Computersoftware passt nicht zusammen. Während französische Airbus-Entwickler mit der Software namens "Cati 5" von Dassault Systems arbeiten, wird nach Informationen aus Firmenkreisen in Hamburg noch eine Vorstufe dieser Designsoftware benutzt.

Hat das Management versagt? Die technische Komplexität des Projekts wurde von der früheren Führung unter Noël Forgeard und Gustav Humbert unterschätzt. Auf der obersten Führungsebene lähmte zudem ein tief gehender Führungsstreit mehr als eineinhalb Jahre lang den Konzern. Als eine Ursache gilt die lang gepflegte Doppelspitze des Konzerns. Da trotz der Rivalitäten gleichzeitig die Geschäfte mit den Airbus-Flugzeugen gut liefen und Konkurrent Boeing in einer tiefen Krise steckte, wurden die operativen Probleme des Unternehmens lange nicht professionell bearbeitet.

Verliert Deutschland A380-Jobs an Frankreich? Das ist äußerst unwahrscheinlich. Die Bundesregierung verhandelt gerade mit dem Airbus-Mutterkonzern EADS über weitere Bestellungen für das Militärflugzeug Eurofighter. Zu den 74 Festbestellungen sollen weitere Orders hinzukommen. Dies wird von der deutschen Regierung als Faustpfand eingesetzt, um die prestigeträchtige A380-Fertigung in Deutschland zu behalten. Der politische Druck auf das EADS-Management ist sehr hoch, nicht einseitig den deutschen Standort zu schwächen. Zum anderen sprechen ganz praktische Gründe gegen eine Verlagerung der Fertigung nach Toulouse. Die Franzosen könnten an ihrem Standort gar nicht die erforderliche Stückzahl des Riesenflugzeugs bauen, wenn die Produktion ab 2010 hochgefahren wird. Die geplanten vier Maschinen im Monat müssen auf die Standorte Toulouse und Hamburg verteilt werden, um überhaupt im Zeitplan bleiben zu können. Dies sagen in der Fertigung beschäftigte Airbus-Ingenieure. Die insgesamt vier Lackier- und Montagehallen, die in Hamburg in Finkenwerder gebaut wurden, werden für die Produktion dringend gebraucht. Sie können nicht in ein oder zwei Jahren in Toulouse errichtet werden.

Werden in Deutschland Jobs abgebaut? In der Produktion wird es wahrscheinlich keinen Stellenabbau geben, in der Verwaltung dagegen schon. Zum einen liegt das an den vom Airbus-Management zugesagten neuen Arbeitsplätzen. So hat der Konzern vor dem Ausbau des Werksgeländes dem Hamburger Senat versprochen, 2000 neue Stellen für den A380 in Hamburg zu schaffen. Diese Zahl ist bereits überschritten, heißt es bei der Werksleitung. Neue Mitarbeiter in der Produktion werden auch dringend gebraucht. Airbus-Deutschland-Chef Gerhard Puttfarcken hatte vor wenigen Wochen noch beklagt, dass der Konzern die benötigten 1200 Flugzeugbauer und Konstrukteure nicht finden könne und dass die Bewerber unflexibel seien, wenn es etwa um einen Ortswechsel gehe. An diesem Bedarf an Fachkräften ändern auch die aktuellen Probleme der A380-Fertigung nichts. Dagegen können die Verzögerungen und finanziellen Belastungen des Konzerns nach Meinung des Betriebsrates Konsequenzen für die Arbeitsbedingungen bei Airbus haben. Statt der 35-Stunden-Woche wird es demnach wohl Arbeitszeitverlängerungen ohne Lohnausgleich für einen Teil der 12 000 Beschäftigten in Hamburg geben. Die Arbeitnehmervertreter rechnen mit dem Abbau von einigen Hundert Stellen in der Verwaltung.

Kann der Hamburger Senat Jobabbau verhindern? Die Position des Hamburger Senats gegenüber Airbus ist relativ schwach. Der Senat in Hamburg hat zwar den Ausbau des Airbus-Werksgeländes überhaupt erst ermöglicht. Mit Geldern des Landeshaushaltes wurde dafür das sogenannte Mühlenberger Loch, ein Seitenarm der Elbe, zugeschüttet und Platz für neue Flugzeughallen geschaffen. Auch hätte der Konzern ohne die Unterstützung des Senats die Start- und Landebahn auf dem Werksgelände nie und nimmer durchsetzen können. Insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro haben Airbus und das Land Hamburg (jeweils rund zur Hälfte) für Infrastrukturmaßnahmen in Hamburg-Finkenwerder aufgebracht.

Werden Airbus und EADS Verlust machen? Nachdem klar war, dass wegen der A380-Verzögerungen Ergebnisbelastungen von insgesamt 4,8 Milliarden Euro bis 2010 auf EADS zukommen, hat der Luft- und Raumfahrtkonzern seine Ergebnisprognose für 2006 kassiert. Ursprünglich hatte EADS in diesem Jahr mit einem Gewinn vor Zinsen und Steuern von 3,2 Milliarden Euro gerechnet. Die Gewinnbelastungen sind größer als von Analysten erwartet. Zudem ist unklar, welche konkreten Einsparmaßnahmen EADS diesen Mehrbelastungen entgegensetzen kann. Mehrere Banken senkten bereits ihre Kursziele für die EADS-Aktie. Zudem deutet sich niedrigere Bonitätsbewertung von EADS durch die Ratingagentur Standard & Poor's an, was höhere Refinanzierungskosten zur Folge hätte. Dieses Negativszenario führte zunächst zu einem Kursrutsch der EADS-Aktie um zwölf Prozent, der sich später allerdings abmilderte.

Hat Airbus noch die Kraft für neue Projekte? Es ist nicht sicher, ob die EADS-Tochter Airbus das geplante A350-Programm starten wird. "Wir werden so schnell wie möglich darüber entscheiden", sagte EADS-Co-Chef Thomas Enders WELT.de. "Wir müssen jetzt prüfen, ob wir das nötige Geld und die nötigen Ingenieursressourcen dafür haben. Es ist unser Verpflichtung zu schauen, ob wir ein neues Programm starten können." Mit dem Langstreckenflugzeug A350 wollte Airbus Boeings 787 Dreamliner Konkurrenz machen. Doch der Entwurf kam bei Kunden nicht an, und so musste der Flugzeugbauer im Juli nachbessern. Die Kosten für das Programm haben sich so bereits mehr als verdoppelt, auf neun bis zehn Milliarden Euro. Um das Programm und die Restrukturierungsmaßnahmen bei Airbus zu finanzieren, könnte EADS als letzten Ausweg eine Kapitalerhöhung in Betracht ziehen. Die Entscheidung soll noch in diesem Monat fallen.

Regiert der Staat zu sehr mit bei der EADS? Bei der Gründung der EADS vor sechs Jahren wurden mit der DaimlerChrysler-Tochter Dasa und mit der französischen Aerospatiale wesentliche Teile der deutschen und französischen Luft-, Raumfahrt- und Rüstungsindustrie zusammengelegt. Damals haben die Hauptaktionäre einen Pakt geschlossen, der ihnen die Kontrolle des Konzerns ermöglicht, auch wenn sie nicht die Aktienmehrheit besitzen. Entsprechend den eingebrachten Anteilen kam es zu einer Aufteilung von Kapazitäten nach Proporzüberlegungen, die dem Aufbau betriebswirtschaftlich sinnvoller Strukturen häufig zuwiderlief. Zudem wirkt der hohe Staatsanteil wegen unterschiedlicher Interessenlage eher abschreckend auf private Investoren. So ist die Luft- und Raumfahrt für die französische Politik eine Schlüsselindustrie, mit der auch nationale Sicherheitsinteressen verbunden sind. In abgeschwächter Form gilt das auch für Deutschland.

Was tut die Bundesregierung? Sie setzt sich öffentlich und in Gesprächen mit der EADS-Führung für die Standorte und Arbeitsplätze des Konzerns in Deutschland ein. "Ich gehe davon aus, dass die unvermeidlichen Schritte zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung dabei für alle Standorte ausgewogen erfolgen und gegebenenfalls Lasten fair verteilt werden", sagte Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU). Dies sei ihm in bisherigen Gesprächen mit der Spitze von EADS ausdrücklich bestätigt worden. Auch Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) forderte, "das europäische Gleichgewicht im Konzern bei der Wertschöpfung und den vorhandenen Arbeitsplätzen darf nicht zulasten Deutschlands verschoben werden". Glos trifft sich heute mit Airbus-Chef Christian Streiff, um sich über die im "Einzelnen notwendigen Schritte informieren zu lassen". Er werde darauf dringen, dass Airbus vor allem die im Zusammenhang mit der Entwicklung und Produktion des A380 gegenüber Deutschland gemachten Zusagen einhalte. Der deutsche EADS-Konzernbetriebsrat hat die Bundesregierung unterdessen aufgefordert, ihre Interessen bei dem europäischen Konzern zu wahren. Man verstehe das Bemühen, "staatliche Einflüsse in dem Unternehmen zu begrenzen, doch solange sie insgesamt existierten, müssten sie gleichwertig verteilt sein", sagte Konzernbetriebsratschef Rüdiger Lütjen.

Trifft Frankreich eine Mitschuld? Französische Machtspiele haben dem Image sowohl von EADS als auch Airbus schwer geschadet. Als bekannt wurde, dass der Airbus-Co-Chef Noël Forgeard und seine Familie vor dem Kurssturz von EADS im März Aktien für 2,5 Millionen Euro verkauft hatten, sorgte das für einen Skandal. Der Manager, über den Staatspräsident Chirac stets seine schützende Hand gehalten hatte, wurde unhaltbar.

Artikel erschienen am 05.10.2006

WELT.de 1995 - 2006
http://www.welt.de/data/2006/10/05/1059860.html
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hilgenberg
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Beitrag von hilgenberg »

04.10.2006 - 20:42 Uhr

FTD: Fertig werden!

Die dritte Verzögerung beim A380-Projekt zeigt, wie desaströs die Abstimmung zwischen den Airbus-Partnern verläuft. Konzernchef Christian Streiff weiß, dass er die Krise nur in den Griff bekommt, wenn er die Unternehmenskultur in kürzester Zeit umkrempelt.

Es war kurz vor zwölf, als Schulkinder die große Plane herunterzogen. Und da stand er, der Riesenvogel, der A380, das erste Modell "MSN-1", in blaues Scheinwerferlicht getaucht. Den zweihundert Gästen aus Hamburg, die eigens in einer Sondermaschine nach Toulouse angereist waren, blieb der Mund offen stehen. Ein "Kreuzfahrtschiff der Lüfte", gluckste Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust. Der A380 ginge über alles hinaus, was man von den Plänen kannte, jubelte Wirtschaftssenator Gunnar Uldall.

Für die Roll-out-Feier hatten sich die Franzosen Anfang vergangenen Jahres mächtig ins Zeug gelegt und eine Show für 5000 Gäste veranstaltet. "Das war eine gelungene Mischung aus Musical, Operette und Gottesdienst", sagte von Beust anerkennend, "das Flugzeug ist gigantisch!"

Tragödie oder Intrigantenstadl?

Anderthalb Jahre später ist die Geschichte des A380 eine weniger gelungene Mischung aus Tragödie und Intrigantenstadl. Und auch Beten hilft wohl kaum etwas. Europas größter Luftfahrtkonzern hat die insgesamt dritte Verzögerung bei der Auslieferung des Riesenflugzeugs für bis zu 853 Passagiere bekannt gegeben: rund ein Jahr. Damit hinkt das Projekt dem Zeitplan um zwei Jahre hinterher - ein Finanzdesaster für das Unternehmen. Bis 2010 entgehen dem Mutterkonzern EADS 4,8 Mrd. Euro Gewinn. Im nächsten Jahr soll lediglich ein einziges A380-Flugzeug an Singapore Airlines ausgeliefert werden, 2008 gerade mal 13 - also gut eine Maschine pro Monat, statt vier.

Wann der Airbus A380 in die schwarzen Zahlen kommen wird, weiß niemand, weil es auch von den Strafzahlungen an die Kunden anhängt. Bislang gibt es 159 Bestellungen. "Es ist ein erheblicher Schaden bei Kunden und Investoren eingetreten und wir werden Zeit brauchen, ihn zu reparieren", räumte der Co-Vorstandsvorsitzende von EADS, Thomas Enders, ein. Schon äußert er Zweifel, ob das nächste große Projekt, der A350, in Angriff genommen werden kann.



530 Kilometer Kabel

Wie konnte es zu so einem Debakel kommen? Zunächst einmal geht es um jede Menge Elektrik. Genauer: 530 Kilometer Kabel, 100.000 Leitungen und 40.300 elektrische Verbindungen. Kein anderes Flugzeug besitzt ein so komplexes System. Hinzu kommen Softwareprobleme bei der Konstruktion des Netzwerkes. Das ambitionierteste Flugzeugprojekt Europas wurde mit Programmen geplant, deren Versionen in Deutschland und Frankreich unterschiedlich waren. Im Hamburger Airbus-Werk sollten Kabel in den Rumpf eingebaut werden, die nicht passten. Der neue Airbus-Chef Christian Streiff sagt dass die Verkabelungsproblematik bei den aktuellen Schwierigkeiten ganz weit vorne steht.

Doch bei Airbus gibt es mehr Verwicklungen, als 530 Kilometer Kabel sie anrichten können. Streiff, der erst seit drei Monaten an der Airbus-Spitze steht findet nun klare Worte. Die Fehler seien viel früher gemacht worden, vor Jahren schon: "Airbus ist bisher kein integrierter Konzern. Airbus hat keine simple und klare Organisation. Es gibt Schattenhierachien, Überbleibsel der niemals vollendeten Integration."

Es ist die alte Konkurrenz zwischen Deutschen und Franzosen.

Für Airbus-Beobachter ist es ein Rätsel, wie das Fiasko so lange unter der Decke bleiben konnte. "Der A380-Zeitplan war von Anfang an sehr ambitioniert und aus heutiger Sicht vielleicht auch unrealistisch", sagt Thomas Enders. Offenbar gab es im Frühsommer erste Hinweise dass bei Airbus mehr schief läuft. Als Mitte Juni der deutsche Airbus-Chef Gustav Humbert und der innerhalb der EADS-Spitze für Airbus verantwortliche Franzose Noël Forgeard eine Produktionsverzögerung um sechs Monate einräumten, war man alarmiert.

Der EADS-Verwaltungsrat setzte eine eigene Untersuchungskommission auch mit externer Hilfe ein, um die Airbus-Planung zu hinterfragen. An der Spitze der Kommission steht der erst im Mai zum neuen EADS-Cheftechnologen ernannte Jean Botti. "Die Frösche dürfen nicht selbst den Teich kontrollieren", kommentierte ein hochrangiger EADS-Manager den Schritt. Die Ergebnisse wurden jetzt bekannt: Die Angaben der alten Airbus-Manager waren das Papier nicht wert, auf dem sie standen.

Neue Software

Streiff will jetzt neue Software einführen, die sich bereits in der Industrie bewährt hat. Vor allem will er aber für Transparenz sorgen. Die Teams sollen tägliche Reports liefern. "Nichts wird versteckt und alle Punkte werden angesprochen", gibt der Manager als Leitlinie vor. Tatsächlich sprechen Konzerninsider davon, dass Airbus vor allem in der Ära Forgeard "wie eine Festung geführt und abgeschottet wurde". Der frühere EADS-Co-Chef konnte sich diesen Stil offenbar gegenüber dem Verwaltungsrat erlauben - der Flugzeughersteller trägt mit Abstand den größten Umsatz und den meisten Gewinn zu den EADS-Zahlen bei.

Als die ersten Vorwürfe über Probleme im Hamburger Werk aufkeimten, kamen sofort "die Deutschen" in Verruf. Die alten Gräben zwischen Deutschen und Franzosen, die seit der EADS-Gründung vor sechs Jahren immer wieder aufreißen, traten zutage. Streiff versucht sich deshalb in Deeskalation. "Ich kann sicher sagen, dass es nicht das Elektrikdesignteam in Hamburg ist, das versagt hat." Airbus sei ein Konzern, daher habe auch Airbus als Ganzes versagt.


Streiff will mehr Offenheit



Streiff schiebt die Verantwortung auf "das Management auf den verschiedenen Ebenen mit verschiedenen Pässen". Schuld seien nicht die Fabrikarbeiter. Offensichtlich ist der EADS-Verwaltungsrat zum selben Ergebnis gekommen. Die Verantwortlichen würden zur Rechenschaft gezogen, heißt es in der Konzernzentrale.

Streiff will bei Airbus für mehr Offenheit sorgen: "Bis vor kurzem, herrschte eine Unternehmenskultur vor, bei der die Wahrheit nicht immer ausgesprochen wurde." Dass der Weg aus der Krise nicht leicht sein wird, ist den Beteiligten klar. "Es gibt keinen kurzfristigen oder einfachen Ausweg. Das Vertrauen unserer Kunden, Partner und Investoren ist schwer beeinträchtigt, ebenso wie die finanzielle Situation bei Airbus und im Gesamtkonzern", heißt es in einem Schreiben an die Konzernmitarbeiter. Airbus müsse sich nun auf die Solidarität der anderen Bereiche verlassen können: "Wir müssen alle an einem Strang ziehen."

Das klingt bei einem Konzern wie Airbus leichter gesagt als getan. Denn jede Entscheidung, jeder Plan, jedes Gerücht, ist sofort ein Politikum. Eine Verlagerung der Fertigung von Hamburg nach Toulouse? Kein Maßnahmen auf Kosten deutscher Arbeitsplätze, wird in Berlin angemahnt. Ein Tausch zwischen Hamburg und Toulouse - der A380 gegen den A320? Das würde "das Pulver entzünden und das deutsch-französische Gleichgewicht zerschlagen", warnen die Gewerkschaften in Frankreich.


Einstellungsstopp hat nur Symbolcharakter



Der am Dienstagabend verhängte Einstellungsstopp für die beiden EADS-Konzernzentralen in München und Paris hat jedenfalls nur Symbolcharakter. Die tiefen Einschnitte werden bei der Airbus-Verwaltung erwartet. Die Konzernführung will die Verwaltungskosten um rund 30 Prozent senken, die Produktivität soll um 20 Prozent erhöht werden. Wie viele Stellen das tatsächlich kostet, steht noch nicht fest. Nur eines ist klar: Die Politik wird mitreden.

Die Krise ist allerdings so groß, das EADS-Co-Chef Thomas Enders neue, selbstbewusste Töne anschlägt. Der Konzern müsse "auch die Tabuthemen angehen". Hierzu gehöre die Standortstruktur und Doppelkapazitäten. Die US-Investmentbank Goldman Sachs hatte bereits vorgerechnet, dass eigentlich sieben der derzeit 16 Airbus-Standorte in Europa überflüssig seien. Enders sagt, dass es noch keine konkreten Planungen oder Beschlüsse gebe. Eines aber scheint ihm klar: "Wir müssen Airbus entpolitisieren und effizienter machen."

(c) FTD
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Beitrag von hilgenberg »

Das ist schon wirklich spannend, lehrreich und frustrierend zugleich.

Spannend ist ja vor allem, was, nachdem so viel auf CL rumgehackt wurde, bei diesen erfahrenen Profis so herauskommt. Wo sie doch eigentlich nur noch ein neues Flugzeug entwickeln. Irgendwo stand jetzt, dass Airbus seine 400 Topmanager zu einem Krisengespräch eingeladen hat. CL hatte insgesamt nur 500 Mitarbeiter, inkl. Wachpersonal etc. Und was ist das Ergebnis: Kostenmehrungen, Terminverschiebungen, technische Änderungen noch bis zur letzten Minute. Und das bei einem Miliardenbudget, das bis jetzt schon verbraten wurde.

Spannend und lehrreich finde ich vor allem die Parallelen und gleichzeitig die Verflechtungen mit dem Geschehen rund um CL. Erst der bewunderte Schwan und dann plötzlich das häßliche Entlein. Wir werden vermutlich in den nächsten Wochen sehen, wie die Schreiberlinge gegenseitig voneinander Abschreiben, und nur wenige werden vermutlich tatsächlich selbst recherchiert haben. Der ein oder andere Politiker wird zwar große Reden schwingen, dass die deutschen Interessen gewahrt bleiben, aber man wird sich nicht mit den bisherigen Entwicklungen in Verbindung bringen lassen wollen. Allerdings kann man wohl davon ausgehen, dass hinter den Kulissen hart daran gearbeitet wird, die Kuh vom Eis zu bekommen. Das wird anders sein als bei CL. Da ist Airbus dann doch zu wichtig für und besser verdrahtet. Andererseits tritt gerade diese Verflechtung jetzt viel deutlicher zutage als in der Vergangenheit, was unsere Argumentation, CL sei auch zugunsten der EADS geopfert worden zwar nicht beweist, aber doch untermauert.

Frustrierend finde ich, an welchen Kleinkariertheiten selbst solche Projekte, die doch eine gewisse visionäre Strahlkraft haben, scheitern (oder zumindest straucheln) können. Das in so einem Unternehmen, welches doch schon einen gewissen Reifegrad erreicht hat, so viele sachfremde Themen eine entscheidende Rolle spielen. Und frustrierend finde ich eigentlich auch, das in einem rein unternehmerisch geführten übernationalen Konzern die Integration und auch der Ausgleich zwischen den regionalen bzw. nationalen Bedürfnissen der Unternehmensteile und Mitarbeiter besser funktionieren dürfte, als bei diesem von Politikern mitgeführten Konzern, wo die doch eigentlich auch die Aufgabe hätten im Rahmen der europäischen Integration gerade dies zu fördern. Aber offensichtlich tun sie genau das Gegenteil.

Interessant finde ich übrigens auch, das ein Artikel in der ftd zu diesem Thema nicht ganz fett mit dem Namen Hegmann überschrieben ist. Kann ja sein, dass er ihn gerade aus guten Gründen nicht schreiben konnte. Könnte aber auch sein, das er jetzt ein kleines Problem damit hat, dass er in der Vergangenheit eher ein Hofberichterstatter gewesen ist. Eine Zusammenstellung, was er in der Vergangenheit alles insbesondere zum A380 geschrieben hat, würde mich schon mal interessieren. Aber wie ich seine Artikel kenne wird er sich jetzt wieder auf seinen Abhakundaussagenvergleichsjournalismus verlegen.

Na dann mal gute Nacht
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Beate Kalauch
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Beitrag von Beate Kalauch »

Hallo Herr Hilgenberg,

ja, das mit Airbus ist wohl ein echter Hingucker....

Unser "Freund" von der FTD hat ja immer gern CargoLifter durch den Kakao gezogen, der wird es jetzt tunlichst unterlassen, das mit Airbus zu veranstalten. Dafür hat er sicherlich "gute Gründe"....

Es hatte ja einen echten Grund, CargoLifter gegen Airbus auszuspielen.....

Das zum Thema "freie Journalisten"....einige sind eben wohl doch nicht frei genug, die wirklichen Sachverhalte abzubilden. Des Brot ich freß...das kennt man ja.

Gruß aus HH
Beate Kalauch

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