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Beitrag von XY »

Interview in der BZ mit Carl von Gablenz:
http://www.berlinonline.de/aktuelles/be ... 92018.html

"Was heißt Illusion?"
Unternehmensgründer Carl von Gablenz hält an der Leichter-als-Luft-Technologie fest
Der Luftschiffbauer Cargolifter sorgte lange Zeit mit seinen Plänen zum Bau eines Transportluftschiffes für Euphorie. Spätestens seit der Insolvenz im Sommer mehren sich Zweifel an der technischen Machbarkeit. Kritiker sprechen von Betrug. Firmengründer Carl von Gablenz weist die Vorwürfe zurück. Er sieht die Bundesregierung in der Pflicht, um die Technologie in Deutschland zu halten.

Herr von Gablenz, warum nur können Sie Skeptiker nicht überzeugen? Jetzt haben Ihnen sogar frühere Cargolifter-Ingenieure vorgeworfen, es lägen für den Bau des Luftschiffes nicht einmal seriöse Baupläne vor.

Es gab nach meinem Ausscheiden aus dem Vorstand ein so genanntes Technical Hearing, zu dem der Insolvenzverwalter bewusst auch sehr kritische Experten eingeladen hatte. Einhellig - auch bei den Kritikern - bestand nach intensiver Diskussion der Unterlagen die Meinung, der Cargolifter ist technisch machbar. Ob er auch in dem geplanten Zeit- und Kostenrahmen gelingen kann, ist eine andere Frage. Aber wenn sich schon Boeing und andere große Unternehmen für die Leichter-als-Luft-Technologie interessieren, sollten wir jetzt darüber nachdenken, ob wir nicht wenigstens etwas davon am Werftstandort in Brand erhalten können.

Wann waren Sie zuletzt dort?

In der vorigen Woche.

Bedrückt Sie nicht die Leere vor Ort? Einst arbeiteten dort 495 Leute.

Was ich zumindest gesehen habe, waren sehr viele Besucher. Das zeigt, dass das Interesse an Cargolifter nach wie vor groß ist.

Das Besucherzentrum schließt am 16. November. Bis dahin erläutern Sie den Gästen in einem Film die Vision eines Riesen-Luftschiffes. Wurde die Vision zur Illusion?

Was heißt Illusion? Anfang August, als das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, hatte Cargolifter so viele Aktionäre wie noch nie, etwa 72 000. Trotz rückläufiger Kurse. 75 Prozent von ihnen sind Kleinaktionäre mit weniger als 200 Aktien. Sie und viele, viele andere glauben an die Idee. Natürlich müsste der Film für das Besucherzentrum aktualisiert werden. Aber in dieser Situation gibt es keinen, der das macht.

Warum reichten das Geld und auch die Zeit nicht aus, die Sie anfangs für die Entwicklung und den Bau des Cargolifters eingeplant hatten?

Die Planung basierte auf Erkenntnissen von 1998. Die haben sich verändert. Wir sind in völlig neue technische Regionen vorgestoßen. Deshalb haben wir auch den CL 75, den Transportballon, als Zwischenstufe eingeschoben. Daran wollten wir die Dinge testen, die beim Cargolifter völlig neu waren - das Lastaustauschverfahren und die Füllung einer so großen Hülle mit Helium. Es ist schon überraschend, dass uns damals mit weniger Wissen mehr geglaubt wurde.

Vielleicht liegt es an den Erfolgsmeldungen, die nichts wert waren? Zum Beispiel der Verkauf eines Transportballons im März an die kanadische Firma Heavy Lift, die kurz zuvor erst mit Ihrer Hilfe gegründet wurde.

Das ist mit Sicherheit kein Scheingeschäft. In Kanada gibt es einen großen Markt für den Transport schwerer Lasten durch die Luft. Dafür wurde Heavy Lift gegründet. An dieser Firma sind wir mit 20 Prozent beteiligt, um den Einsatz des CL 75 zu sichern und Erfahrungen zu sammeln. Es ist ja das Unternehmensziel, für solche komplizierten Einsatzbedingungen Geräte zu entwickeln und auch zu betreiben.

Im September 2001 feierten Sie den "offiziellen Produktionsbeginn". Produziert wurde bis heute nichts.

Das ist nicht richtig. Wir haben damals angekündigt, Hüllen für Testzwecke mit bis zu 40 Meter Länge zu fertigen. Dies haben wir auch getan. Die Modelle wurden unter Druck gesetzt. Dann wurde die Folie, die von Zulieferern kam, angeritzt, um zu sehen, wie sie reißt. Aber wir merkten, dass wir noch nicht so weit waren, wie wir sein wollten. Und als das Geld knapp wurde, mussten wir auf die Bremse treten.

Warum haben Sie nicht kleiner angefangen?

Der deutsche Großanlagenbau suchte 1994 nach einer neuen Lösung für logistische Probleme beim Transport von Schwerlasten bis zu 160 Tonnen. Die kann kein kleineres Luftschiff heben. Auch in seinem Flugverhalten lässt es sich aus physikalischen Gründen nicht mit einem Großluftschiff vergleichen. Heute wissen wir, dass es auch einen Markt für den Transport großer und sperriger, nicht zu schwerer Güter gibt, die nicht durch Autobahnbrücken passen. Das könnten kleinere Luftschiffe schaffen, deshalb auch der CL 75. Vielleicht hätten wir früher mit solchen kleineren Lösungen beginnen sollen.

Weshalb sind Sie vor vier Jahren gerade nach Brandenburg gegangen? Weil besonders günstige Fördermöglichkeiten in Aussicht standen?

Der frühere Militärflugplatz in Brand bot ideale Voraussetzungen. Eine Landebahn, große Freiflächen, gute Autobahnanbindung. Die Förderung, die übrigens von der EU und nicht von den deutschen Steuerzahlern kam, hätten wir überall in den neuen Ländern erhalten.

Die Förderung war an die Schaffung von Arbeitsplätzen gebunden. Die sind nun weg.

Die Bedingung war, 239 Arbeitsplätze für fünf Jahre zu schaffen. Diese Zahl haben wir für einige Zeit stark überschritten. Die Mitarbeiter sind jetzt weg, aber das kann sich ja ändern. Ich möchte erinnern: Wir sind mit einem innovativen Produkt in die neuen Länder gegangen und haben dort investiert. Genau das wird immer wieder gefordert.

Es ist aber nicht vorgesehen, dass die Unternehmen nach kurzer Zeit in die Pleite gehen.

Deshalb muss die Investitionsbank Brandenburg auch die EU-Fördermittel zurückfordern. Aber wir hätten uns gewünscht, dass die Bundesregierung Unternehmen, die hier investieren, stärker unterstützt und sich nicht bei der erstbesten Gelegenheit zurückzieht. Schon im Januar 1999 befürwortete der Haushaltsausschuss des Bundestages einstimmig die Förderung. Das Bundeswirtschaftsministerium beharrte aber letztlich auf nicht erfüllbaren Auszahlungsbedingungen für die Kredite .

. weil erhebliche Zweifel an der Machbarkeit des Großluftschiffes von Cargolifter bestehen.

Zunächst fehlten angeblich Unterlagen, was nicht stimmte. Erst dann wurde von einem Gutachten gesprochen, das erhebliche Zweifel geweckt haben soll. Was nach Aussagen des Bundesverkehrsministeriums aber absurd ist. Dieses Gutachten gibt es offenbar nicht. Mit einer Pauschalbehauptung sollten Detailbegründungen für die Ablehnung vermieden werden. Das wäre mühsam geworden.

Fühlen Sie sich von der Politik im Stich gelassen?

Die Landesregierung hat kein Geld. Sie hat getan, was sie tun konnte. Sowohl Ministerpräsident Matthias Platzeck als auch sein Vorgänger Manfred Stolpe haben sich immer für Cargolifter ausgesprochen. Das eigentliche Phänomen ist, wie das zuständige Bundeswirtschaftsministerium mit der Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland umgeht. Alles, was nicht zum Airbus-Bauer EADS gehört, hat keine Chance. Neben Cargolifter ging ja zuletzt auch Fairchild Dornier in die Insolvenz, die mit einer neu entwickelten Flugzeugfamilie auf den Markt wollten.

Das Interesse von Konzernen wie Boeing reichte nie aus, sich auch finanziell an Cargolifter zu beteiligen.

Bei der Gründung von Cargolifter konnten wir die Industrie noch zu einer Beteiligung bewegen. Damit hat sie gezeigt, dass es Interesse und auch einen Markt gibt. Dann änderten sich die wirtschaftlichen Bedingungen. Die Konzerne denken heute nur noch kurzfristiger.

Wird der Cargolifter jemals fliegen?

Das Cargolifter-Projekt mit dem CL 160 ist derzeit nicht mehr aktuell. Das muss klar gesagt werden. Es geht jetzt um die Leichter-als-Luft-Technologie insgesamt, die am Standort Brand hoffentlich bald neben Cargolifter auch durch andere Firmen vertreten wird.

Das neue Projekt könnte in wenigen Tagen auf immer zu Ende sein.

Was wollen Sie mit der Halle dann machen? Soll dort ein Freizeitpark entstehen mit einer Achterbahn? Mit dem Standort in Brand besteht die einzigartige Chance, diese Schlüsseltechnologie in den Händen zu behalten. Nirgendwo in der Welt gibt es bessere Möglichkeiten. Wenn wir die Technologie hier nicht halten könnten, obwohl wir schon so weit gekommen sind, wäre das eine Schande.

Das Gespräch führten J. Schwenkenbecher und T. Morgenstern.

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Berliner Zeitung vom 09.11.2002
Entscheidung Mitte November

Carl von Gablenz. Der 50-jährige Jurist gründete 1996 die Cargolifter AG. Im Juni 2002 trat er als Vorstandschef zurück und wurde Aufsichtsratsmitglied. Gablenz ist Enkel eines Lufthansa-Mitbegründers. Sein Vater war Lufthansa-Chefpilot.
Cargolifter. Das Unternehmen gehörte zu den hoffnungsträchtigsten Infrastrukturprojekten in Brandenburg. Ziel war der Bau des Lastenluftschiffes CL 160, das schwere Güter über große Entfernungen transportieren sollte.

Hoffnung. In Kürze befindet der Insolvenzverwalter über die Zukunft von Cargolifter. Entschei-dend ist, ob Aktionäre und Enthusiasten bis Mitte November genug Geld zusammentragen, um die AG aus der Insolvenz führen zu können.

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