Die Politiker unter Druck setzen - Artikel im FOCUS

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Lifter
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Die Politiker unter Druck setzen - Artikel im FOCUS

Beitrag von Lifter »

Mit Intresse habe ich Folgendes im FOCUS gelesen. Vielleicht hat der eine oder andere von Euch den Artikel ja schon in der Printausgabe gelesen. Online habe ich ihn nicht gefunden, deshalb habe ich ihn abgetippt.

Der Mann gibt im Groben das wieder, was die Gründer von ZiB sich mit auf die Fahne geschrieben hatten und für die Namensgebung unter anderem ausschlaggebend war. Vor allem in dem letzten 3/4 Jahr konnten wir erleben, wie breit die Basis der CL-Aktionäre in der Gesellschaft ist. Unzählige Gespräche mit Unternehmensführern, aktiven und pensionierten Ingenieuren, aber auch einfachen Menschen, die geglaubt haben, bei CL mit dazu beitragen zu können, dass ein deutsches Unternehmen in einem Nischenbereich eine Vorreiterrolle übernehmen könnte. Es ist anders gekommen. Ohne die Gründe einzig in den Rahmenbedingungen zu suchen zeigt die jüngere CL-Geschichte jedoch, wie verwoben die traditionellen Beziehungen zwischen Wirtschaft und Politik sind. Die Konzeptions- und Mutlosigkeit, das Hängeln von einem zum anderen Wahltermin ohne irgendwo anzuecken, bestimmt die Handlungen unserer Volksvertreter, die selbst ungewöhnliche Priviliegien genießen (Pensionsansprüche etc.).



STANDPUNKT im FOCUS Nr. 10, 1.3.2003

Die Politiker unter Druck setzen!
Ein Plädoyer für neue Bürgerbewegungen


von Werner Weidenfeld

[Der 55-jährige Politikwissenschaftler ist Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung der Universität München und Präsidiumsmitglied der Bertelsmann Stiftung]


Eine dunkle Dunstglocke des Pessimismus, der Ratlosigkeit und des Misstrauens hat sich über Deutschland gelegt. Das Gefühl des Niedergangs entwickelt seine eigene Dynamik. Die Ursachen liegen in einer Art magischem Dreieck, das jeden überfälligen Eingriff verhindert.

Der dramatische Verfall an politischem Vertrauen, den es in der Geschichte der Bundesrepublik je gegeben hat, ist eine Ursache. Der in arbeitsteiligen Gesellschaften notwendige Vorschuss an Vertrauen kippt um in offenes Misstrauen. Damit aber verliert die Politik an Handlungsfähigkeit. Durch die Erosion der Zustimmung wird alles zufälliger, augenblicksorientierter, labiler. Nicht markante Richtungsentscheidungen sind angesagt, sondern Segeln vor dem Wind. Statt Führung heißt Politik heute nur noch Moderation. Es gilt lediglich. den Augenblick zu meistern.

Eine weitere Ursache ist die Ausklammerung der großen Strukturfragen. Die großen Verschiebungen in der Altersschichtung und ihre finanziellen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Folgen sind seit vielen Jahren bekannt. Ähnliches gilt für die tabuisierten Schlüsselfragen zur Reform des Bildungswesens. Die diversen Bundesregierungen der vergangenen Jahrzehnte haben sich meisterlich auf das Verschieben von Problemlösungen auf die nächste Generation verstanden. Als führungstechnischen Ausweg setzt Kanzler Schröder zudem ein Instrument ein, das die Verantwortung verwischt. Er kreiert Kommissionen aller Art, die das Gewicht von Regierung und Parlament relativieren. Die Kommissionen suggerieren Tatkraft, ohne zu irgendeiner Maßnahme zu verpflichten.

Außerdem ist Deutschland bedroht. Der globale Terrorismus hat eine Gefährdung neuer Art erzeugt. Wenn man sich vor Augen führt, dass nach dem 11. September 2001 bis heute nur wenige Dutzend Terroristen zu fassen waren, aber allein in Afghanistan in den vergangenen Jahren mehr als 30.000 perfekt ausgebildet wurden, dann wird das Ausmaß an Bedrohung begreifbar. Diktaturen und instabile Staaten wie Pakistan, Irak, Iran und Nordkorea starren vor Massenvernichtungswaffen. Diese existenzielle Bedrohung wird in Deutschland ausgeblendet.

Das magische Dreieck aus Vertrauensverlust, Handlungsschwäche und Problemverdrängung führt nun zu dem, was allgemein als Stillstand oder Blockade verstanden wird. Der systematische Fehler aller Reformersuchen ist offenkundig: In unserem Land, in dem jeder Zentimeter des Status quo mit wehrhaften Interessenvertretungen besetzt ist, kann eine bloß moderierende Politik keine Korrektur vornehmen.

Die logische Konsequenz muss lauten: Die Bürger müssen ihre eigenen, öffentlichen Anliegen selbst in die Hand nehmen. Sie müssen ihre Absichten so kraftvoll artikulieren, das die Politik die Notwendigkeit zur Integration dieser Bürgerbewegungen entdeckt. Nur unter solchem Druck wird sich die Politik korrigieren. In modernen, massenmedial verfassten Gesellschaften ist der notwendige Aufwand relativ gering, um große Aufmerksamkeit zu erzielen. In früheren Jahren haben dies Greenpeace, Attac oder die ökologische Bewegung gezeigt: Es kommt in erster Linie auf massenmedial vermittelte Originalität an.

Die große bürgerliche Mitte der Gesellschaft muss jene Instrumente nutzen, die früher eher an den Rändern so erfolgreich eingesetzt wurden. Warum soll das, was vor Jahren dem Umweltschutz auf die Beine half, heute nicht bei der Rentenversicherung, der Bildungsreform oder dem wirtschaftlichen Wachstum möglich sein? Das leise Verschwinden der Prägewirkung traditioneller Politik öffnet Räume für eine neue Art partizipativen Bürgersinns und aktiven Bürgerengagements. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, dann stehen wir vor einer neuen Gründerwelle von Bürgerbewegungen, diesmal aus der breiten Mitte der Gesellschaft und nicht nur von ihren Rändern her. Statt immer nur wirkungslose Appelle an die Politik zu richten, die Blockade zu überwinden, wird der eigentliche Souverän die Dinge selbst in die Hand nehmen. Die Demokratie wird dann vom Kopf auf die Füße gestellt.[/b]
Innovation braucht Mut!

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