So geht's auch: Industriepolitik am Beispiel Schiffbau

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HelmutJ
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So geht's auch: Industriepolitik am Beispiel Schiffbau

Beitrag von HelmutJ »

.... und alle sind stolz. Bekanntlich hat der Erfolg gerne viele Väter.

In der Frankfurter Rundschau gab es Ende Januar 2005 den folgenden Beitrag. Industriepolitik scheint wieder ein hoffähiger Begriff zu werden. Ergeben sich daraus Hoffnungen für LTA-Vorhaben?


http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirts ... cnt=623757


Hier der Text für die Zeit, ab der der Link im Nirwana enden wird:

Die Marine als Flaggschiff
Industriepolitik der Regierung und die Bundeswehr machen aus der deutschen Seefahrt ein Erfolgsmodell für Europa
VON HERMANNUS PFEIFFER (BREMEN)


Eine Erfolgsgeschichte: Viele Unternehmen der deutschen maritimen Wirtschaft sehen sich heute als globale Technologieführer, darunter auch ein Zweig, von dem es nur die wenigsten erwarten dürften, die Marinerüstung. So stammen weltweit 70 Prozent der Schiffsantriebe von MTU in Friedrichshafen am Bodensee.

Um den Spitzenplatz auch bei U-Booten und Fregatten abzusichern, setzen Regierungskoordinator Georg Wilhelm Adamowitsch und Klaus Borgschulte, Chef des neuen Werftenkonzerns Thyssen-Krupp Marine Systems, auf die Bundeswehr, die mit ihrem Marine-Inspekteur Lutz Feldt hochrangige Einsatzbereitschaft auf der 4. Nationalen Maritimen Konferenz in Bremen zeigte. Die Seestreitkräfte sollen mehr denn je als "Parant Navy" fungieren, als Eltern-Marine, die Kriegsschiffe als Referenzprojekte für spätere Auslandsaufträge der Industrie einsetzt. "Lobbyismus pur", schimpfte ein prominenter Wirtschaftswissenschaftler im Congress-Centrum.

Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ließ sich von solchen Vorwürfen nicht irritieren. Er genoss seinen Auftritt auf dem Gipfeltreffen der maritimen Wirtschaft. Der vermeintliche Autokanzler hat allen Grund, die Seefahrt ins Herz zu schließen, denn auch Handelsflotte, Nord- und Ostseehäfen und sogar die Werften dürfen sich heute als Sieger der Globalisierung feiern lassen. Inzwischen lässt sich EU-Kommissar Günter Verheugen ebenfalls von der Erfolgsstory inspirieren. "Nahezu alle Bereiche dieses Wirtschaftszweiges weisen ein beachtliches Wachstum auf", freut sich die Bundesregierung. Dabei reichen die maritimen Arme weit, bis ins süd- und ostdeutsche Hinterland, darauf wies Schröder in seiner Abschlussrede auf der Konferenz vor 800 Experten nachdrücklich hin.

Auch darum habe die Branche eine strategische Bedeutung für die ganze Republik. Die Hälfte der Zulieferbetriebe ist in Süddeutschland daheim, und allein in Bremen hängen 70 000 Jobs am Hafen, bundesweit beschäftigt die Branche direkt und indirekt schätzungsweise bis zu einer halben Million Menschen. Bei Ingenieuren und Seeleuten mangelt es an Nachwuchs. "Ein Imageproblem", bedauern Manager und Professoren, und der Kanzler kritisiert, dass der maritime Boom in der Öffentlichkeit bislang nahezu ohne Widerhall blieb.

Für diesen stillen Erfolg hat die rot-grüne Bundesregierung an vielen industriepolitischen Stellschrauben gedreht, von der Forschungsfinanzierung über Lohnzuschüsse bis hin zur Tonnagesteuer, dank derer Schiffsbesitzer üppige Gewinne fast steuerfrei einstreichen.

Ein wirksames Politik-Instrument ist auch der alle zwei Jahre stattfindende Nationale Maritime Kongress, eine Veranstaltung, auf der sich die Akteure untereinander verständigen. "Kooperation statt Konkurrenz" lautet das inoffizielle Motto des maritimen Komplexes, in dem neben Wirtschaft und Politik auch Hochschulen und Gewerkschaften verankert sind.

Für seine guten Taten ließ sich im Bremer Congress-Centrum fast das halbe Kabinett feiern, nicht allein Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, sondern auch Forschungsministerin Edelgard Bulmahn und Verkehrskollege Manfred Stolpe (alle SPD). Selbst der grüne Umweltminister Jürgen Trittin, der sich mit der Ausbaggerung von Weser und Elbe schwer tut, war zum Grußwort angereist.

Mehr Schiffe unter deutscher Flagge

Der Preis, den die Industrie für die förderliche Wirtschaftspolitik bezahlt, ist gering: Mehr Handelsschiffe sollen wieder unter schwarz-rot-goldener Flagge fahren. Von der Einhaltung dieses Versprechens sind die Unternehmer noch weit entfernt, der Reederverband gelobte jedoch, bis Ende 2005 die hauptsächlich symbolträchtige Zusage fristgemäß einzulösen. Insgesamt, dieser Schluss muss nach dem Kongress gezogen werden, lebt der maritime Komplex munter fort, alle Beteiligten wollen ihn zudem für die unweigerlich nach dem Boom kommenden Stürme wetterfest machen, wollen Strukturen verbessern. Berlin wird weiterhin aktive nationale Industriepolitik betreiben, und die europäische Kooperation soll entwickelt werden.

Ins Boot geholt wurde auch Brüssel. Kommissions-Vizepräsident Verheugen gestand ein, dass er die maritime Wirtschaft bislang unterschätzte, aber künftig scheint der Industriekommissar das deutsche Modell auf die EU übertragen und auch für Branchen wie das Automobil nutzen zu wollen. Bereits am Mittwoch hatte Verheugen dazu auf "seinem" europäischen Maritime Industry Forum hinter verschlossenen Türen im Congress-Centrum Gelegenheit. Zur wichtigsten Aufgabe der neuen Kommission erklärte er die demnächst anstehende Erneuerung der Lissabon-Strategie, mit der die EU-Wirtschaft innovativer und wettbewerbsfähiger werden soll. Der lange verpönte Begriff Industriepolitik "darf wieder in den Mund genommen werden", freute sich Verheugen, Dirigismus und Protektionismus seien damit aber nicht gemeint, sagte ein gut gelaunter Kommissar.


Das Erfolgsgeheimnis

Skaleneffekte wie in der Massenproduktion beim Bau von Autos oder Computern helfen auch der Seeindustrie. Immer größere Schiffe machen den Transport über See billiger, eine mehrwöchige Schifffahrt von Hongkong nach Hamburg macht heute nur etwa 20 Prozent der Fahrtkosten aus, während die kurze Strecke per Bahn oder Lkw nach Prag 80 Prozent verschlingt.

Der Durchbruch des Containers hat zudem die erdumspannende Logistikkette beschleunigt und zusätzlich verbilligt. So kostet der Versand eines DVD-Players von Schanghai nach Bremen nur noch zwei Dollar.

Zu den Erfolgsfaktoren Schiffsgröße und Container kommen das rasante Wachstum des Welthandels und der Wirtschaftsboom in China. Von beidem profitiert in Europa besonders die hiesige maritime Industrie. hp

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2005
Dokument erstellt am 27.01.2005 um 16:52:21 Uhr
Erscheinungsdatum 28.01.2005

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