Overkill an Bädern in Brandenburg

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Lifter
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Overkill an Bädern in Brandenburg

Beitrag von Lifter »

Erst werden die Städt überredet, in eine vermeintliche Boombranche zu investieren, um ja auch an die EU-Gelder zu kommen, und nun landen sie in der Schuldenfalle.
Das Land Brandenburg verschlimmert die Lage der Kommunen nur noch, indem es ein Multimillionen-Euro-Bad in Postdam bauen will und als Gläubiger auch noch den Verkauf der CargoLifter-Industriehalle zum zwecke eines Riesenplanschbeckens befürwortete und damit die ohnehin geringen Besucherzahlen der umliegenden Bäder weiter verringert.
Das nennt man eine kluge Wirtschaftspolitik!

Hier die Artikel aus dem Tagesspiegel:

http://www.tagesspiegel.de/brandenburg/ ... 76.asp#art

Ein Spaßbad in Nöten

Fünf Jahre nach der Eröffnung droht der Naturtherme Templin die Insolvenz Neun Millionen Euro wären zur Sanierung nötig. Aber die Stadt hat kein Geld


Von Claus-Dieter Steyer

Templin - Mit einer ungewöhnlichen Botschaft wendet sich das große Thermalbad in Templin auf seiner Internetseite an die Besucher: „Es gibt uns noch, wir haben geöffnet und freuen uns auf Ihren Besuch!!“ Es habe in letzter Zeit „Unkenrufe“ und „weniger schöne Nachrichten“ gegeben. Die Naturtherme räumt „einige Baumängel“ ein, die nächstes Jahr in einer mehrmonatigen Schließzeit behoben würden.

Doch die Lage der Touristenattraktion in dem Uckermark-Städtchen mit seinen restaurierten Fachwerkhäusern und der fast vollständig erhaltenen Stadtmauer ist weitaus ernster: Nur mit sehr viel Geld kann die Insolvenz der vor fünf Jahren fertig gestellten Therme noch verhindert werden. Auf rund neun Millionen Euro beziffert die Templiner Stadtkämmerin Ursula Heise den Sanierungsaufwand. Und es ist völlig ungewiss, ob die 10 000-Einwohner-Stadt das Geld für das Thermalbad aufbringen kann, das ihr zu 100 Prozent gehört.

Rund 27 Millionen Euro Fördermittel aus den Kassen des Bundes, des Landes und der EU waren in die Naturtherme geflossen. Dazu nahm die Stadt Kredite auf und steckte den Erlös vom Verkauf eines großen Ferienhotels in das Freizeit- und Gesundheitsbad, um die Gesamtkosten von 36 Millionen Euro aufzubringen. Der Erfolg schien den Planern zunächst Recht zu geben. In den ersten beiden Jahren nach der Eröffnung tummelten sich in den Becken, in dem Sauna- und dem Massagebereich rund 400 000 Gäste, die meisten davon aus Berlin. 2004 kamen nur noch 340 000 Besucher, in diesem Jahr werden 310 000 erwartet – bei Preisen, die für Erwachsene bei neun Euro für zwei Stunden liegen. Zum Rückgang trägt neben der allgemeinen Konsumflaute und hoher Arbeitslosigkeit vor allem die wachsende Konkurrenz bei. Ausflügler finden inzwischen Freizeitbäder in allen Himmelsrichtungen (siehe Kasten unten).

Bereits im Vorjahr konnte die Templiner Therme die Insolvenz nur knapp vermeiden. Die Schuld an der Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen wurde dem Geschäftsführer und Kurdirektor gegeben, der über Nacht seinen Posten räumen musste. Bürgermeister Ulrich Schoeneich, kürzlich aus der SPD ausgetreten, hat seitdem einen schweren Stand im Stadtparlament. Doch alle Versuche, ihn wegen der Probleme mit der Therme und anderer Entscheidungen abzuwählen, scheiterten bislang.

In der Stadtkasse fehlen schon jetzt fünf Millionen Euro – und an der Therme stellten Gutachter ganze 460 Bau- und Planungsfehler fest. So sickert durch das begrünte Dach Regenwasser, sind die Wannen der Badebecken undicht, rosten Pumpen und elektronische Bauteile durch das Solewasser und halten Fliesen nicht mehr an den Wänden. „Leider können wir alle am Bau beteiligten Firmen nicht mehr belangen“, sagt Bürgermeister Schoeneich. Sie seien mittlerweile alle insolvent.

Die Besucher spüren von den Problemen allerdings ebenso wenig wie die Tester des Heilbäderverbandes. Der bescheinigte dem Bad erst jüngst eine hohe medizinische und therapeutische Kompetenz, einen guten Service und dem Ort eine gut ausgebaute Infrastruktur für den Gesundheitstourismus. Die Therme ist damit die erste in Deutschland, deren gesamtes Angebot ausgezeichnet wurde.

Am 26. Juli müssen die Stadtverordneten über den Sanierungsplan abstimmen. Templin wird wohl einen weiteren hohen Kredit aufnehmen und Vermögen verkaufen müssen. Und das Land soll zwei Millionen Euro aus dem Topf für Tourismusförderung zahlen – damit sollen im Zuge der Bauarbeiten die Angebote des Bades weiter ausgebaut werden. Wenn die Therme im nächsten Jahr zwischen Ostern und Weihnachten wegen der Bauarbeiten geschlossen bleiben muss, werden Einnahmeverluste von über einer Million Euro erwartet. Auch dafür soll das Land einspringen. Im Wirtschaftsministerium heißt es vorsichtig, das Ansinnen werde geprüft.

Doch einem anderen touristischen Aushängeschild Templins wurden Landeshilfen gerade verweigert. Die 2004 eröffnete Westernstadt „Silver Lake City“ ging im April Pleite. Bis heute gibt es keinen neuen Investor; die erhofften 6,4 Millionen Euro Fördermittel blieben aus, weil die Investitionsbank des Landes ernste Zweifel am Konzept hatte. So kamen in der ersten Saison nur 50 000 statt der erhofften 250 000 Besucher. Jetzt prüft der Geschäftsführer des Filmparks Babelsberg, Friedhelm Schatz, den Einstieg.

Eine Branche geht baden

Claus-Dieter Steyer

Das schlechte Wetter der vergangenen Tage löste an machen Brandenburger Orten regelrechte Freude aus: Die Thermal- und anderen Hallenbäder verzeichnen an Regentagen in der Urlaubszeit ihre höchsten Besucherzahlen. Doch darin offenbart sich auch die große Abhängigkeit dieser Ausflugsziele vom unberechenbaren Wetter. Und die Menschen können aus einer Vielzahl von Möglichkeiten wählen. Auf der Brandenburger Bäderkarte gibt es so gut wie keine weißen Flecken mehr. Wie mit der Gießkanne wurden die öffentlichen Mittel für die Wasserwelten verteilt. So eine Dichte gibt es nur noch in Sachsen – allerdings bei fast doppelt so vielen Einwohnern.

Mitte der 90er Jahre hatten Planer den Wellnesstourismus als eine Zukunftsbranche für Brandenburg propagiert. Große Überzeugungsarbeit mussten sie in der Landesregierung und im Landtag nicht leisten. Doch wie so oft führte der anfängliche Erfolg zu Übertreibungen. Jeder größere Ort bewarb sich um ein möglichst großes Bad. An Fördermitteln aus den Kassen der EU und des Bundes herrschte kein Mangel. Einfache Volksschwimmhallen erhielten ein Wellenbecken und abenteuerliche Rutschen. Die Sauna- und Massagelandschaften konnten nicht komfortabel genug ausfallen. Baden erschien als die Lösung aller Probleme. Hotels und Pensionen profitierten vom Ansturm gerade aus Berlin.

Doch mehr und mehr machten sich die Bäder Konkurrenz. Die Besucherzahlen gehen zurück und bringen Wirtschaftspläne zum Kippen. Viele Bäder retten sich mit teuren Umbauten. Aber noch immer wagt es niemand, auf die Bremse zu treten. Im September eröffnet im Spreewalddorf Burg ein großes Thermalbad, das dem nur wenig entfernten „Tropical Islands“ Gäste wegnehmen wird. Rheinsberg und Neuruppin kämpfen seit Jahren um eine Therme. Werden die Pläne gebilligt, sieht es für das Bad in Templin noch düsterer aus.

Potsdam wiederum ringt um die Finanzierung eines riesigen Freizeitbades auf dem Brauhausberg nach dem Entwurf des brasilianischen Stararchitekten Oscar Niemeyer. Die weiter südlich gelegenen Adressen in Belzig, Lübbenau oder Luckenwalde werden sich dann ebenfalls auf sinkende Besucherzahlen einstellen müssen. Denn so lange dauert auch in Brandenburg und Berlin das schlechte Wetter nicht, als dass es die Massen jeden Tag in die Bäder triebe.

SCHARFE KONKURRENZ

Überall sinkt die Besucherzahl

LAND VOLLER BÄDER


In Brandenburg gibt es derzeit 16 Thermal- und Erlebnisbäder. Die großen Thermen reihen sich wie auf einer Perlenkette rund um Berlin: Bad Wilsnack im Nordwesten, Templin im Nordosten, Bad Saarow im Südosten und Belzig im Südwesten. Sie sind alle mit Fördermitteln von Bund, Land und der EU entstanden. Überall gehen die Besucherzahlen zurück.

NOCH MEHR BECKEN

Fast alle großen Hotels besitzen inzwischen einen Wellnessbereich mit großen Bädern und Saunen. Seit Mitte Dezember lockt auch „Tropical Islands“ in der umgebauten Cargolifter-Halle mit einem großen Schwimmbecken und einer Lagunenlandschaft.

WEITERER ZUWACHS

Ende September eröffnet die große Spreewaldtherme in Burg. Rheinsberg verfolgt seit Jahren den Bau eines Thermalbades zur Ankurbelung des Tourismus. Es muss angesichts der Schwierigkeiten in der nicht weit entfernten Naturtherme Templin mit weniger Fördermitteln als geplant rechnen.

pestw
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Beitrag von pestw »

Kaum ein Artikel brachte es bisher so auf den Punkt.
Es ist echt traurig, was für Dilettanten in Brandenburg Wirtschaftspolitik machen. :(

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