Was kann man erwarten?

Ältere Beiträge zur CL CargoLifter GmbH & Co KG a.A.

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Hagen
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Was kann man erwarten?

Beitrag von Hagen »

Hallo!
Mir kommen einige Fragen zu der Thematik.

Fakt ist, daß es einen klaren Markt für das Projekt gibt.

Fakt ist aber auch, daß es soviele ungelöste Probleme gibt, daß da noch viel Wasser die Saar runtergeht, bis ein CL160 fliegt. Und das fängt schon an, daß das Problem, die Fracht durch Wasser zu ersetzen und am Zielort 160m³ Wasser zur Verfügung zu stellen bzw. am Anfangsort die gleiche Menge zu entfernen. Zum Vergleich: Das sind sechs Tanklastanhänger wie dieser hier: Kässbohrer STB41.

Den Cargolifter zu bauen, wäre ein Unternehmen, bei dem lumpige 41 Millionen Euro Fördergelder nicht mehr reichen. Genausogut hätte man versuchen können, Atomkraftwerke ohne Subventionen zu bauen; dann würden wir heute über den Atomeinstieg reden. Am Ehesten wird das was, wenn erstmal einige Jahre CL75-Aircranes gebaut und verkauft werden; ob für diese ein Markt da ist, steht auf einem anderen Blatt. (Großraumfrachten von x nach y über viele Kilometer Distanz zu verfrachten ist ein anderer Kasten Bier, als 75to. anzuhängen und von a nach b über eine geringere Distanz zu ziehen.)

Die Amerikaner zeigen, wies geht (siehe Presseforum): Das DARPA (Verteidigungsministerium) läßt ein Großraumluftschiff (WALRUS-Projekt) bauen. Die Firmen, die sich darum bewerben, haben am Ende die Patente, um ein Zivilluftschiff genau wie der Cargolifter (der da wohl Pate gestanden hat) zu bauen. Es wäre zu hoffen, daß dann der Spiegel seine Arroganz im Bezug auf den Cargolifter ("Wolkenkuckucksheim") ablegt. Ich halte es trotzdem für erwiesen, daß sich seinerzeit von Gablenz ziemlich verhoben hat (und sei es, daß er auf Bundesfördergelder gehofft hat).

Das WALRUS-Projekt hätte CL vielleicht gerettet. Sich darum zu bewerben, wäre auch die Möglichkeit, wie ich die Zukunft einer CL GmbH&Co. KGaA gesehen hätte, die die Patente von Cargolifter übernommen hätte.

Damit kommen wir zu meiner größten Frage. Ich sehe die "neue CL" als Personalconsulting für Zeppelin (mit den Patenten), wenn es um eine Bewerbung für WALRUS geht (welche Aktivitäten in Richtung WALRUS oder in irgendeiner Richtung hat die neue CL da eigentlich gemacht? Mir scheint cargolifter.info nicht sehr informativ zu sein). Aber was die "neue CL" eigentlich machen will, erscheint mir - ohne die Patente - ein wenig im Nebel zu liegen.

Vielleicht könnte einer der Betroffenen hier dazu mal kurz Stellung nehmen.

Zur Frage "In Brandenburg oder nicht?" von der cl.info-Seite: Das erscheint mir ziemlich eindeutig. In Brandenburg will man von Gablenz offenbar nicht mehr sehen; deutlicher hätte es die Landespolitik nicht machen können. Ob es in Deutschland in Partnerschaft mit Zeppelin und nach Bewerbung für WALRUS noch möglich ist, wird sich zeigen. Unter Umständen scheint mir Frankreich aber der bessere Ort (finanzstark und nicht so technologiefeindlich wie die deutsche Politik).

Zum letzten Teil: Mein Vater war als höherer Bundesbahnbeamter im Verkehrswesen tätig und kennt daher die logistischen Probleme, und Ende 2001 war ich in Brand in der CL World. Daher kenne ich das technische Prinzip des CL (mit dem Lastaustausch durch Wasser, und der Problematik von Totalsperrungen von Autobahnen (Kleingeld) und dem nötigen Rückbau von Brücken und ähnlicher Infrastruktur wie Oberleitungen etc. (Großgeld!) bei Schwersttransporten.

Es wird doch wohl möglich sein, die Kosten von einem einzigen Trafo- oder Schaufelradbaggertransport auf der cl.info-Seite detailliert zusammenzustellen und demgegenüber die Betriebskosten eines CL (mit den Tankwagen für Wasser) in Geld und Zeit aufzulisten und das auf der Website zu präsentieren. Selbst die Presse scheint ihre Probleme zu haben, sich den Markt für den CL vorzustellen. Ich kann mir vorstellen, hätte die CL AG aggressiver mit solchen nachvollziehbaren Zahlen in der Öffentlichkeit geworben, dann würde jetzt ein maßstabsgetreuer Prototyp des Cargolifter fliegen.

Gruß
Ralf Hagen

ernstrd
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Beitrag von ernstrd »

Hallo zusammen.
Mal was Grundsätzliches: Dass ich Cargolifter unterstütze, ist zu einem Großteil auch darin begründet, dass CL sich von Anfang an gegen militärische Anwendungen ausgesprochen hat. Und nicht, wie andere Firmen, die zivilen Nutzungen eher als Abfallprodukte ihrer Entwicklungen für das Militär sah.
Wenn CL durch das Militär gerettet worden wäre, wäre das für mich DER Grund gewesen, nichts mehr mit CL zu tun haben zu wollen. Ich wäre lieber arbeitslos, als für das Militär zu arbeiten, und ebenso will ich nicht, dass eine Firma, an der ich beteiligt bin, auf der Payroll des Militärs steht oder dem Militär etwas zu verdanken hat.
Falls die neue AG sich in irgendeiner Weise daran beteiligt, die feuchten Weltherrschaftsträume eines größenwahnsinnigen Cowboys und seiner ignoranten und selbstgefälligen Gefolg- und Wählerschaft zu unterstützen, dann bin ich mit meinem Geld schneller weg, als ihr "Krieg für Öl" sagen könnt.
Das soll keine Drohung sein, bei meinen geringen finanziellen Mitteln wäre es etwas vermessen, zu glauben, ich könnte durch meinen Rückzug etwas ändern. Es ist eher ein Versprechen, begründet auf meinen Überzeugungen. Ich möchte nämlich auch morgen noch beim Rasieren in den Spiegel schauen können, ohne mich zu Erbrechen.
(Dabei fällt mir eine Weisheit ein, die ein Bekannter neulich hervorbrachte, als wir darüber diskutiert haben, wie es viele Politiker und Firmenbosse schaffen, beim Rasieren noch in den Spiegel schauen zu können. Er meinte, die bräuchten nicht mehr in den Spiegel schauen, die hätten dafür jemanden (also der sie rasiert).)
Ich weiß, dass ich mit meinen Überzeugungen in dieser Gesellschaft zu einer Minderheit gehöre (die im Ernstfall sicher nicht durch unser schönes neues Antidiskriminierungsgesetz geschützt wird), aber das ist mir Wurscht.
Lift on.
Roland

LifterBastian
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Beitrag von LifterBastian »

ernstrd hat geschrieben:Ich weiß, dass ich mit meinen Überzeugungen in dieser Gesellschaft zu einer Minderheit gehöre (die im Ernstfall sicher nicht durch unser schönes neues Antidiskriminierungsgesetz geschützt wird), aber das ist mir Wurscht.
Lift on.
Roland
Find ich nicht, diese Überzeugung ist Ehrenhaft und sollte etwas mehr auf der Welt vorhanden sein! Bush hätte davon etwas gebraucht!
Gruß
Sebastian

Hagen
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Beitrag von Hagen »

Hallo!
ernstrd hat geschrieben:Hallo zusammen.
Mal was Grundsätzliches: Dass ich Cargolifter unterstütze, ist zu einem Großteil auch darin begründet, dass CL sich von Anfang an gegen militärische Anwendungen ausgesprochen hat. Und nicht, wie andere Firmen, die zivilen Nutzungen eher als Abfallprodukte ihrer Entwicklungen für das Militär sah.
Ende 2001 war ich in einer Gruppe der Offiziersschule des Heeres in Dresden, die auf dem Weg nach Berlin Cargolifter besichtigte. Hier wurde von den Vortragenden ausdrücklich betont, die Bundeswehr sei am Projekt CL160 sehr interessiert, und es wurden mehrere Anwendungsbeispiele genannt, die den CL160 für die Logistik der Auslandseinsätze der Bundeswehr besonders geeignet machen.

Es wäre nun interessant, wann und wo sich Cargolifter ausdrücklich gegen eine militärische Nutzung ausgesprochen hat. Daß ein Luftschiff nicht als Kampfmittel taugt, wurde schon von Hugo Eckener betont und im Ersten Weltkrieg bewiesen. Ich denke, dies war, was CL ausdrücken wollte.

Eine militärische Nutzung eines Transportmittels wie dem CL160 von vorne herein als Firmenpolitik auszuschließen, würde bedeuten, von vorne herein auf einen sehr großen Prozentsatz der Aufträge zu verzichten; da der CL vor allem für Schwersttransporte sinnvoll ist, bei denen das Frachtgut extrem lange Abschreibungszeiten hat (Turbinen etc.), wären militärische Auftraggeber in einigen Jahren die größten Kunden.

Wenn ich auf Dinge verzichten wollte, deren Entwicklung nicht militärisch finanziert oder die vom Militär entwickelt wurden, müßte ich im Rettungsdienst auf den Stifneck verzichten (Vietnam), könnte nicht auf den Löwenanteil der neurologischen Forschung zurückgreifen (1. WK), hätte keine Luftrettung (mit Hubschraubern - Ende 2. WK; perfektioniert in Vietnam - oder im Ostblock, Afghanistan) zur Verfügung, die Hälfte der Medizintechnik wäre nicht vorhanden, und ich könnte weder im Internet im Besonderen (direkter Nachfolger des ARPA-Net, ein Führungsmittel, das im Falle eines Atomschlages mit 80-90% zerstörten Rechnern noch operationsfähig sein sollte), noch in der Informatik im Allgemeinen (sämtliche Betriebssysteme haben stark von DOD-Geldern profitiert) arbeiten.

Auf Reisen müßte ich darauf achten, nicht in einem neuen Airbus zu sitzen (viele Werkstoff- und andere Technologien wurden im Zusammenhang mit Jäger90/Eurofighter Taifun entwickelt), und nochmal im Rettungsdienst dürfte ich keinen Eurocopter-Hubschrauber besteigen (Eurocopter Tiger). Das mal, um wieder nach Europa zu kommen.

Militärische Projekte waren schon immer die Möglichkeit, große Vorhaben zu realisieren und neue Technologien zu entwickeln (oder glaubt jemand, man könnte den EF2000, Tiger, NH-90 oder A400M nicht billiger von den USA oder Russland kaufen?).

Ohne dieses Geld wird eine Entwicklung eines CL-ähnlichen Großprojektes nicht funktionieren. Was passiert, wenn versucht wird, das Projekt komplett ohne staatliche Förderung zu realisieren, haben wir ja gesehen (und die Warner, die das schon zwei Jahre vorher genau so vorhergesagt haben, waren nicht nur Unkenrufe).

Gruß
Ralf

Lifter
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Beitrag von Lifter »

Vielen Dank für die sehr guten Beiträge.
Ich denke, dass man heutzutage zwei verschiedene Szenarien unterscheiden muss: Kampfeinsätze sowie Krisen- und Unterstützungseinsätze. Letztere charakterisiert eher eine Stabilisierungs- und Hilfsaufgabe.

Ich glaube, dass hier unter uns nicht wirklich LTA-Freunde sind, die sich eines Einsatzes eines LTA-Gerätes verweigern würden, wenn es von Pionieren der Bw in einem Katastrophengebiet eingesetzt wird.

Wogegen wir uns - so denke ich - vehement wehren, ist der ausschließliche Entwicklungsgrund im Militärischen, also zum Beispiel das Walrus-Projekt, welches von vornherein die Verlegung ganzer so genannter Battlegroups vorsieht. Zwar könnte selbst so ein Einsatzszenario für eine "friedliche" Truppe sinnvoll sein, wenn man an die neuen Einsatzkonzepte der NATO und der EU denkt. Da müssen z.B. Einheiten innerhalb von 5 Tagen verlegt werden können.

Die Krux ist, dass das Militär in der Vergangenheit selten aufs Geld schauen musste. Das war wie ein Wunderland für älter gewordene Männer, die sich ihr Spielzeug zusammenkaufen konnten. Ähnliches gilt für die Raumfahrt. Viele heutige technische Selbstverständlichkeiten sind solchen Anwendungen entsprungen. Warum? Weil die Herren es nützlich fanden. So konnte man Neuerungen testen, ohne dass alles durchfinanziert sein musste. Vieles geht dabei auch in die Hose. Vieles aber eben auch nicht.

Ich beneide die Amerikaner um ihre DARPA, weil sie Sachen anstößt und vorfinanziert, wo man sich bei uns noch die Köpfe heiß redet, ob man es tun sollte oder lieber nicht. Aktuelles Beispiel, nachzulesen in den VDI-Nachrichten, ist der Wettkampf der autonomen Fahrzeuge, den übrigens ein Deutscher mit einem Touareg gewonnen hat, der ganz und gar nicht mit der militärischen Verwendung einverstanden ist. Damit hat er die Konkurrenz ganz schön düpiert. Das Militär will Kampf- und Beobachtungsfahrzeuge, die ohne Fahrer und Bedienung auskommen. Die Erkenntnisse aus dem Wettkampf, dessen Sieger ein erhebliches Preisgeld eingestrichen hat, helfen ihnen da einen Schritt weiter.

Das Ansinnen ist aus deren Sicht richtig, denn im Regelfall ist der Mensch die größte Quelle von Fehlern im Zusammenspiel komplizierter Systeme. Bei den Flugzeugen ist man da schon weiter. Ist aber auch einfacher zu lösen, da man in der Luft nicht durch Tunnel und an Abgründen langnavigieren muss. Die Terrainbeobachtung ist im Land-Modus wesentlich komplizierter. Die ferngelenkten Drohnen der Amis, wie der Predator, sind hinlänglich bekannt. Allerdings trägt die auch bei Bedarf eine Luft-Boden-Rakete, die der Bediener mal versehentlich auf eine Hochzeitsgesellschaft abfeuert (Afghanistan). Der Deutsche (allerdings erbeitend an einer amerikanischen Uni - warum wohl?) sieht eher den Einsatz im Zivilen, um Verkehrsströme intelligenter zu leiten.

Fazit: Ying und Yang sind überall zu finden. Das Dual-Use-Problem stellt sich bei den meisten technischen Geräten. Das fängt beim Messer an, welches man zum Obstschneiden genauso wie zum Morden nutzen kann und und hört bei der Brennstoffzelle, die im modernsten konventionellen U-Boot (einer der wenigen Fälle, wo die Deutschen mal vorne liegen) seinen Dienst tun kann wie in einem Linienbus, nicht auf.

Leider gibt es in Deutschland kaum eine Kultur des Rummspinnens, welches finanziert wird, auch staatlicherseits. Da sind uns die Amis meilenweit voraus. Unsere Bundeswehr hätte auch gar nicht genug Geld, um so etwas zu sponsorn. Allerdings - und da danke ich Hagen für die Schilderung seiner Gespräche, weil seine Erfahrung sich mit der deckt, die ich bei Vertretern der Bw gemacht habe - hat die Armee sehr gute Logistiker, mit denen man sich auf jeden Fall austauschen sollte.

Im Falle der LTA-Technologie könnte man vielleicht ein weiteres Entscheidungsmerkmal berücksichtigen. Dient das Gerät eher Angriffs- oder eher Verteidigungs- und Versorgungsoperationen, wohlwissend, dass es Schnittmengen gibt?

Meines Erachtens eignet sich die LTA-Technik nicht dazu, um über ein Land herzufallen. Meistens wird ein großes Ziel geboten, welches relativ leicht zu bekämpfen wäre in einer Hot-Zone.

Hochfliegende Kommunikations- und Beobachtungsplattformen sind natürlich denkbar, aber wer wollte abstreiten, dass so eine Entwicklung auch im Zivilen sehr nützlich ist? Wollte man deshalb darauf verzichten?

Letztendlich liegt es in der Verantwortung der Menschen, was sie daraus machen. Deshalb wäre es ja so wünschenswert gewesen, dass die Deutschen sich mit einem zivilen Großluftschiff an die Spitze hätten setzen können. Nun haben die Amerikaner wieder die Initiative ergriffen und rennen mit großen Schritten voran. Wie schon so oft.

Vielleicht können wir das wieder etwas aufholen, aber es wird schwierig, denn in diesem Land hier findet man eher 10 Gründe, warum man etwas nicht tun kann, als dass man sich auf die Suche nach dem einen begibt, der es doch möglich macht.

Hinzu kommt, dass man hier die hässliche Unart des Nachtretens perfekt beherrscht. Scheitert jemand, ist er für alle Zeit in Ungnade gefallen und wird als unfähig beschimpft. In Amerika gehört es fast schon zum guten Ton in seiner Vita eine Pleite vorweisen zu können. Denn man weiß ganz richtig, dass diese Menschen gelernt haben und deshalb deren Erfahrungen wertvoll für einen erfolgreichen Neuanfang sind.

Wir bei ZiB berücksichtigen das und sind damit der Mehrzahl der Berufskritiker und -nörgler weit voraus.
Innovation braucht Mut!

WorstOnTop
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Beitrag von WorstOnTop »

Was passiert, wenn versucht wird, das Projekt komplett ohne staatliche Förderung zu realisieren, haben wir ja gesehen
Nein, das hab' ich nicht gesehen.

Hagen
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Beitrag von Hagen »

Hallo!
Zwar schweifen wir ziemlich vom Thema ab, nämlich, was man von CL neu eigentlich erwarten kann/sollte (ich bin, ehrlich gesagt, skeptisch); trotzdem möchte ich da etwas beantworten.

Einerseits hast Du Recht, Lifter. Jüngere Männer, die endlich mal Spielzeug bauen dürfen, sind zweifelsohne ein Teil der Motivation, weswegen das Militär soviel Geld in die Innovation stecken kann (zumindest seit dem 2. Weltkrieg, als man verglich, wie die Technologie vorher und nachher aussah). Ältere Männer sind das nicht, wenns nach denen ginge, würden wir uns noch mit Stahlrohrlanze und Säbel auf Pferden bekriegen. Manchmal ist die Beharrung aber auch gut, wie wir in Afghanistan zu spüren bekommen: Die Tragtierkompanien sind als "gestrig" zusammengekürzt worden - und wären dort das einzige, was uns bis in den letzten Winkel tragen könnte.

Ich bin allerdings der festen Überzeugung, teilweise findet auch Förderung aus dem Verteidigungshaushalt statt. An den Sportförderkompanien sieht man das besonders extrem - sie verbrauchen Geld und haben null Nutzen, eigentlich sollten sie eher in Innen- oder Außenministerium sein (Sportfördergruppe der Bundespolizei, z.B.). Die Beispiele "Tiger" und "EF2000" waren bewußt gewählt (die Brennstoffzellen-U-Boote sind auch ein gutes Beispiel dafür): Solche Projekte dienen zuallererst dazu, Technologiekompetenz ("Know-How") in Europa zu entwickeln, die dann in die zivilen Hubschrauber und Airbusse eingebaut wird.

Zu Deinem Beispiel der Küstenschutz-U-Boote:
Eine richtig durchentwickelte Brennstoffzelle hat, außer für Schleichfahrt, null Sinn für Überwasserschiffe. Durch den Einbau in U-Boote kann sie aber erstmal entwickelt werden.

Als nächstes wird sie kleiner, so daß sie irgendwann mit vernünfiger Reichweite in LKWs eingesetzt werden kann (vielleicht braucht man den Zwischenschritt über Schienentriebwagen). Von dort aus ist es nur noch ein Katzensprung zu weiterer Miniaturisierung, hin zu Kleinwagen, teilweise noch kleiner.

Ein Beispiel, wie das ohne militärische Forschung läuft: Es ist möglich, einen Autoantrieb zu realisieren, der aus einem schnelldrehenden Schwungrad in einer evakuierten Kapsel besteht, das fast reibungsarm im Magnetfeld mit Höchstdrehzahlen dreht. Wenn Energie benötigt wird, wirkt es als Generator, aufgeladen wird es z.B. durch Bremsvorgänge, indem eine Elektromotorwirkung verwendet wird.

Das Prinzip ist uralt. Modellrechnungen (die Dinger wie bei Cargolifter: "Technisch machbar, Bedarf da, realistische Kostenprojektion zwischen 700 Millionen und 1,3 Milliarden Euro") sind da und haben ergeben, daß so ein Teil, wenn man es sechs Wochen stehen läßt, weniger Energie durch Reibungsbremsung des Schwungrades verliert, als ein Benziner durch Verdunstung in gleicher Zeit verlöre. In den 70ern irgendwann mal vom heute so technologiehasserischen "Der Spiegel" als tolle neue Innovation vorgestellt und von Ingenieuren, die's wissen wollten, nachvollzogen.

In 25-30 Jahren haben wir solche Autos und Motorräder. In den neuen münchner S-Bahnen und seit neuestem in Linienbusgroßen Fahrzeugen ("Autotram", bei der auch autonome Fahrzeugsteuerung sehr viel Einfluß hat; siehe hier) dient es als Wirkbremse, um einen Teil der Bremsenergie bei Stop-and-Go wieder in die Beschleunigungsenergie zu retten. Man sieht wieder den typischen Lebenslauf: Schiene -> LKW -> kleiner.

Die 60 und mehr Jahre, die dieses Projekt durch private Entwicklung in Großfirmen braucht, kann man um mindestens die Hälfte komprimieren, wenn eine staatliche Förderung da einsetzt. Leider haben die "Grünen" die letzten 2 Legislaturperioden die Luftnummer des Jahrhunderts hingelegt; sie hätten die Möglichkeit gehabt, eine starke Förderung und Subventionierung solcher Projekte einzuleiten, aber wenn man Technologie als gestriges Teufelszeug sieht und nur noch "Dienstleister" haben will, wird das nix. Neben einigen Sonderfällen, die bis zum Abwinken subventioniert wurden, wie Atomkraftwerke (auch große Cargolifter-Kunden, wenn die Modernisierung der Großturbinen ansteht), führt der Weg zu solcher Subventionierung aber leider nur über das Militär. (Die Raumfahrt hat übrigens auch so angefangen; meines Wissens findest Du heute noch keinen zivilen Raumpiloten in der NASA.)

Und genau das war das Problem von Cargolifter, um zum Thema zurückzukommen. Die Basis, mit denen Gablenz die 1,3 Milliarden benötigten Entwicklungskosten aufbringen wollte, war viel zu klein, und am Kapitalmarkt hat das zur Insolvenz geführt. Bei aller berechtigten Kritik an Mönning, aber ein Investor, der die noch nötigen Entwicklungskosten hätte aufbringen können, wäre ein Konsortium aus Zeppelin, EADS und einer fetten Spritze von der Regierung gewesen; und das war m.E. nicht zu finden.

Und bei aller Ablehnung gegen die unsachlichen, "Ätsch!"-mäßigen Meldungen über die Pleite - es gibt berechtigte Kritik am alten Cargolifter-Management, und davon nicht zu wenig.

Meiner Auffassung nach ist das Pferd hierbei ganz böse von hinten aufgezogen worden. Simulationen und Modellversuche sind zu wenig unternommen worden (wozu steht das CL-Rechenzentrum denn, wenn mans nicht ausreizt?), und lange vor der "Tropical-Islands"-Halle hätte eine grundlegende Studie über die mittelfristige Machbarkeit gehört. Diese hätte ergeben, daß es noch ungelöste Probleme gibt, und dann wären Machbarkeitsstudien über Zwischenprojekte nötig geworden, wie man an einem markttauglichen Projekt dieses Rätsel lösen kann - wie viel zu spät mit dem CL75 geschehen. Ich habe die CL-Halle noch gesehen, als sie noch von CL genutzt wurde, und bin immer noch begeistert - aber sie kam vielleicht zu früh.

Ein Dilemma an Cargolifter sehe ich darin, daß da hervorragende Techniker waren, und hervorragende Wirtschafter. Die Wirtschafter wußten ganz genau, was sie mit einem CL-160 machen würden. Die Techniker waren begeistert dabei, Entwicklungen zu betreiben; selbst in Mönnings Bericht wird das in die Air Brand überführte Wissen mehrfach ausdrücklich gelobt.

Was aber nicht da gewesen zu sein scheint, sind Leute, die den Zug gebremst haben, und irgendwann nach Vorliegen konkreter Problematiken die Sache gegliedert haben und nach Lösungen suchten, Zwischenprodukte herzustellen, mit denen man Gewinn erwirtschaften konnte. (Die Technologien und Erfahrungen solcher Zwischenprodukte wären u.U. auch für den CL160 nutzbar gewesen.)

Was glaubt ihr, wie der Spiegel geschaut hätte, wenn der Schaufelradbagger von Braunheim auf eine Basis gestellt und das ganze Paket an zwei CL-75 gehängt worden wäre, ein bis zwei CH-53 Hubschrauber als Treidelfahrzeuge das ganze ins Schlepp genommen hätten, und das Paket über Grünkern nach Schwarzärger in relativer Bodennähe verbracht worden wäre, ohne daß eine einzige Freileitung hätte rückgebaut werden müssen. Bei Sturm Notabschaltung durch Reißleine, Versicherung by Allianz.

Damit hätte man die Lastplattform des CL160 schonmal gehabt, hätte sich gute Befestigungen überlegen müssen, und der CL-75 wäre in Betrieb - und hätte schonmal Einnahmen gehabt, auch wenn der Weg zum CL160 noch sehr weit gewesen wäre.

Das ist ein mögliches Szenario, und ich weiß nicht, inwieweit es machbar gewesen wäre. Aber ich hoffe, mal auf die Notwendigkeit von Zwischenprodukten aufmerksam gemacht zu haben - und wenn das darin bestanden hätte, eine Fertigung für SkyShips in Brand vertraglich zu vereinbaren, um die Halle auszulasten, wenn man sie für den CL75 wirklich gebraucht hätte.

Gruß
Ralf
Zuletzt geändert von Hagen am Do, 20.10.2005 0:15, insgesamt 1-mal geändert.

Matthias/Wismar
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Beitrag von Matthias/Wismar »

hat die amerikanische regierung nicht auch die entwicklung des Towtech gestützt?
MFG

Matthias

Lifter
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Beitrag von Lifter »

Um über einen Umweg wieder zum Thema zu kommen.

Tatsächlich hat niemand die - ich nenne sie mal - technische Entwicklungsbremse bei CL getreten.
das liegt auch daran, dass über die Jahre nach und nach immer neue technische Leiter in der Verantwortung waren.
Dort hätte jemand hingehört. der den Laden mal richtig aufmischt.
War nicht Gablenz´ Sache. Zugegeben.

Aber ist inzwischen klar, und da liegt mir vielleicht eine dichtere Faktenlage vor als manchem anderen, dass CL in der Branche als Frischling betrachtet wurde, der verdammt noch mal nichts am Trog zu suchen habe.

Außerdem waren der Industrie 70.000 Aktionäre suspekt. So etwas kannte man bis dato nicht. Deshalb wird das ja auch in Zukunft anders geregelt. Die Dachgesellschaft wird einen Sitz stellveretend für die Aktionäre haben. Dieser gilt dann quasi als ein Investor.

ich zitiere gerne noch einmal den berühmten Herrn aus dem BWiMi, der des öfteren damit zitiert wird, dass CargoLifter es ja nicht geschafft habe, private Investoren zu gewinnen. Für den sind über 300 Mios von Bürgern des Landes, welches ihn bezahlt, keine Investoren. Das ist ein mentales Problem.

Also, kurz noch zur CL neu:

Wir bearbeiten gerade mit einer Art Kompetenzteam Anfragen bezüglich des Einsatzes von LTA-Technik. Dieses Team analysiert die Aufgabenstellung der potentiellen Kunden. Potentiell deshalb, weil erst das Ergebnis der Machbarkeitsstudie ergibt, ob mit LTA weitergemacht wird. Für diese Studien wird bezahlt.

Die Lastbereiche bewegen sich für kleinere und mittlere Systeme zwischen 2 und 40 Tonnen. Die Anfragen kommen aus der ganzen Welt, verstärkt aber auch aus Deutschland (was mich freut).

Um diese Studien auch bezüglich der Kosten für die Systeme möglichst genau hinzubekommen, sind entsprechende Hersteller eingebunden. CargoLifter ist zur Zeit kein Entwicklungs- und auch kein herstellbetrieb.

Hagen
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Beitrag von Hagen »

Hallo!
Vielen Dank, Lifter, das ist schon sehr viel Information, die ich gesucht habe.

Du hast sicher Recht, daß CL als Neuling im Land der Alten besondere Probleme hatte. Die Meinung des Typen aus dem Ministerium (wer war das eigentlich?) kann man so auch ganz sicher nicht stehen lassen.

Gerade bei der Vorlast hielte ich es für wichtig, daß CL eine Seit schaltet, auf der ganz genau erklärt wird, was sie macht, und weswegen das wichtig ist. Das würde m.E. die Akzeptanz für die Firma erhöhen. Vielleicht wäre eine Präsentationsseite "Leichter-als-Luft-Technologie (LaLT)" da mal ganz gut, wo ein Bürger/Journalist/Politiker sich so umfassend über das Problem, dessen Lösung der Cargolifter gewesen wäre, informieren kann, daß er danach wirklich mitreden könnte.

Wenn ich mir einige Presseberichte beschaue, über die ich mich geärgert habe - dem Vernehmen nach auch über die "Neue CL" -, dann zieht sich für mich wie ein roter Faden da durch, daß CL schlicht ein Transparenzproblem hat und in seiner Informationspolitik bisher zu Technologieorientiert war. Dazu nochmal meine Besichtigung von CL 2001: Uns wurde die Technik genauestens erzählt, die Sache mit den Wassertanks, die das Gewicht der Ladung ausgleichen, die Funktionsweise der Halle und so weiter.

Was aber nur sehr stiefmütterlich bis gar nicht behandelt wurde: Wozu brauche ich das? Welche Aufgabe können Luftschiffe mit LaLT-Technologie besser lösen als bodengestützte Systeme oder SaLT-Großraumflugzeuge? Wie weiter oben gesagt, eine Modellrechnung würde da schon sehr viel aussagen.

Es wäre schön, wenn die Neue CL dies einmal angehen würde; neben einer informativen Seite für mich würde da Werbung rauskommen, und nicht zuletzt könnten sich Skeptiker davon überzeugen, daß hier mit großer Sorgfalt Lösungen erarbeitet werden, die Hand und Fuß haben.

Gruß
Ralf

ZiB-Moderator
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Beitrag von ZiB-Moderator »

Das Thema wurde an dieser Stelle geteilt. Die Fortsetzung befindet sich im Forum "Rund um den Aircrane", Thema "Machbarkeit des Helischlepps".

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Hajoseb
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Beitrag von Hajoseb »

Hagen hat geschrieben:Hallo!
...

Gerade bei der Vorlast hielte ich es für wichtig, daß CL eine Seit schaltet, auf der ganz genau erklärt wird, was sie macht, und weswegen das wichtig ist. Das würde m.E. die Akzeptanz für die Firma erhöhen. Vielleicht wäre eine Präsentationsseite "Leichter-als-Luft-Technologie (LaLT)" da mal ganz gut, wo ein Bürger/Journalist/Politiker sich so umfassend über das Problem, dessen Lösung der Cargolifter gewesen wäre, informieren kann, daß er danach wirklich mitreden könnte.

...

Gruß
Ralf
Gerde dass sollte man eventuell gerade nicht machen. Du hast doch gesehen, welche Probleme bei CL durch die absolute Öffentlichkeit bekommen hat ...

Jeder "Depp" meinte es besser zu wissen und mitreden zu können ...

(Depp nicht als Schimpfwort gemeint !!!)

Mfg Hajoseb
Ich möchte sterben wie mein Großvater, friedlich schlafend und nicht laut kreischend wie sein Beifahrer ...

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