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Freizeitparks
Ananas im Gurkenland
In Brandenburg entstehen jetzt blühende Landschaften: In der Riesenhalle des Cargolifters wird ein kompletter Regenwald mit Tropendorf gebaut.
Baubeginn im Freizeitpark "Tropical Island": "Wenn der Mann was anpackt"
Leise, nur von einem sachten Plätschern begleitet, gleiten die Kähne durch die Kanäle der Spree. Mit langen Stangen staken die Bootsführer vorwärts, kein Motorenlärm stört den Frieden, und zum Höhepunkt der Tour verraten die Männer in den sorbischen Trachten ihr Lieblingsrezept für die berühmten Spreewaldgurken. Es ist diese anheimelnde Atmosphäre, die jährlich rund zwei Millionen Touristen in den Spreewald nahe der polnischen Grenze treibt.
Doch nun soll ein Hauch von Exotik das biedere Heimatidyll aufwerten und möglichst junge Besucher in die dünn besiedelte Gegend locken. Ein Großinvestor will einen tropischen Freizeitpark an den Rand des Gurkenparadieses pflanzen - ausgerechnet an einen Ort, wo ein ähnlich visionäres Vorhaben gerade beerdigt wurde: in die 66 000 Quadratmeter große Halle des gescheiterten Projektes Cargolifter.
Anfang des Monats wurden die ersten Palmen in die größte freitragenden Halle der Welt gepflanzt, in der ursprünglich mal Last-Zeppeline gebaut werden sollten. Rund 300 Millionen Euro kostete die Pleite der Cargolifter AG die Aktionäre, weitere 50 Millionen Euro wurden aus Steuermitteln aufgebracht. Doch damit nicht genug: Auch der malaysische Investor, der die Investitionsruine für den Schnäppchenpreis von gut 17 Millionen Euro erstand, hat jetzt beim Potsdamer Wirtschaftsministerium und der landeseigenen Investitionsbank einen Förderantrag über 12 Millionen Euro gestellt. Weitere Gelder sollen in die Erschließung, Verkehrsanbindung und Tourismusförderung fließen.
Die Landesregierung unter Matthias Platzeck (SPD), gebeutelt durch Subventionsdesaster etwa bei der Frankfurter Chipfabrik oder dem Lausitzring, prüft derzeit die Anfrage - mit der gebotenen Vorsicht. Denn es mangelt nicht an warnenden Beispielen.
So bleiben bei dem jüngst eröffneten und mit 240 Millionen Euro subventionierten "Space Park" in Bremen die Besucherzahlen weit unter den Erwartungen. Und ein "Regenwaldhaus" in Hannover rechnet sich nur dank städtischer Pachtnachlässe. "Wir sind skeptisch gegenüber öffentlich geförderten Projekten", sagt Klaus-Michael Machens, Präsident des Verbandes Deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen.
Investor Colin Au, 54, lässt sich nicht einschüchtern. Zur Not will seine Firma Au Leisure Investments Ltd. und sein Partner Tanjong PLC aus Malaysia das Millionen teure Tropenparadies auch ohne öffentliche Gelder finanzieren. Die Asiaten sind von der Akzeptanz ihrer Ananas-Oase überzeugt. Denn sie hoffen auch auf unterhaltungsbedürftiges Publikum aus dem 70 Kilometer entfernten Berlin. Für 25 Euro pro Tag sollen die gestressten Großstädter bei bis zu 28 Grad auf Dschungeltour gehen und sich schließlich am Strand einer fast 4000 Quadratmeter großen "Tropical Sea" niederlegen. Ein 140 Meter breiter künstlicher Horizont soll die Illusion unendlicher Weite verbreiten.
Verköstigt werden die prognostizierten drei Millionen Besucher im Jahr stilecht im Tropendorf, und wer Hirnnahrung braucht, kann wechselnde Ausstellungen zum Ökosystem Regenwald besuchen. Der Hauptstadtklientel werden nächtliche Beach-Partys mit Laserstrahlen und Margaritas geboten. Solcherart bespaßt, geht es dann per Shuttle-Bus zurück nach Berlin-Mitte. Wer will, kann in ehemaligen Sowjetkasernen nächtigen, die zu einem Hotel umgebaut werden.
"Die Leute müssen gar nicht mehr nach Asien fahren", sagt Projektarchitekt Jürgen Grothe, "der Regenwald liegt vor der Tür."
Der Glaube an die blühenden Landschaften am Spreewald stützt sich auf die Berechnungen der Hamburger Firma Wenzel Consulting, die schon die Zahlen für den Space Park in Bremen lieferte. Auch Hallenentwickler Martin Hautum von der Münchner Firma CL Map GmbH bejubelt das gewagte Vorhaben des Investors: "Wenn der Mann was anpackt, dann klappt es."
Ganz aus der Luft gegriffen ist die Hoffnung nicht. Schließlich ist Au kein Neuling im Großprojektgeschäft. Als Präsident der in Hongkong ansässigen Kreuzfahrtschifflinie "Star Cruises" ließ er im niedersächsischen Papenburg Schiffe bauen.
Doch sollte er sich täuschen, wird sich das Amtsgericht Cottbus einer Premiere gegenübersehen: einem Insolvenzantrag aus dem Regenwald.
SEBASTIAN KNAUER
