02.07.2005 01:08
CargoLifter-Nachlass bringt Luftschiffbauer an einen Tisch
Institut für Leichter-als-Luft-Technologie geplant
Drei Jahre nach der Insolvenz der CargoLifter AG könnte deren geistiges Erbe dazu beitragen, die verschiedenen Unternehmen und Interessengruppen im deutschen Luftschiffbau enger zusammenzuführen. Um die Patente, Konstruktionsunterlagen und technischen Untersuchungen von CargoLifter bemühen sich die Luftschiffbau Zeppelin GmbH aus Friedrichshafen einerseits sowie eine Bietergruppe von Luftschiffbauern mit der Firma CL-Lifter, die am Flugplatz Neuhardenberg gern die CargoLifter-Nachfolge antreten würde. Einvernehmlichkeit herrscht offenbar darin, dass die Unterlagen Eingang finden sollen in ein deutsches Institut für die Leichter-als-Luft-Technologie.
Wird das Zentrum des deutschen Luftschiffbaus in Friedrichshafen am Bodensee bleiben oder wandert es vielleicht doch noch nach Brandenburg? Während im Süden die Zeppelin Luftschifftechnik GmbH bereits mehrere Luftschiffe gebaut und vor einem Jahr den ersten Zeppelin NT (NT steht für neue Technologie) nach Japan verkauft hat, wollen im brandenburgischen Neuhardenberg mehrere Firmen beim Luftschiffbau kooperieren. Eines dieser Unternehmen ist CL-Lifter, wo Ex-CargoLifter-Chef Carl von Gablenz im Aufsichtsrat sitzt.
Zerstrittene Gruppen
Gerade dieser Name aber wirkt für viele wie ein rotes Tuch, denn unter der Führung von Gablenz verloren 72 000 CargoLifter-Anleger ihr Geld. 300 Millionen Euro flossen dem Unternehmen zu, nach der Insolvenz blieben 90 Millionen Euro Schulden.
In dieser Woche kam es nun auf Initiative des FDP-Bundestagsabgeordneten Jürgen Türk zu einem Treffen von Vertretern der bisher zerstrittenen Gruppen, um Gemeinsamkeiten auszuloten. Beteiligt waren weitere Abgeordnete, Vertreter von Ministerien sowie der CargoLifter-Insolvenzverwalter Prof. Rolf-Dieter Mönning.
Wie von Gablenz gestern der RUNDSCHAU sagte, wollen die Neuhardenberger, zu denen auch das Luftfahrtunternehmen Delcon und der Förderverein «Zeppelin Europe Tours» – er hat mit Zeppelin Friedrichshafen nichts zu tun –, gehört, 50 000 Euro für den immateriellen Nachlass von CargoLifter zahlen.
Mönning bestreitet diese Summe. RUNDSCHAU-Informationen über ein Friedrichshafener Angebot in Höhe von etwas unter 150 000 Euro dementierte er nicht. Dr. Bernd Sträter, Geschäftsführer der Zeppelin Luftschifftechnik GmbH, erklärte der RUNDSCHAU, die Zeppelin-Gruppe verfolge das Ziel, in Deutschland ein wissenschaftliches Netzwerk für die Leichter-als-Luft-Technologie zu knüpfen. Dazu soll laut Sträter ein Institut gebildet werden mit Standorten in Friedrichshafen und in Cottbus, das Forschungen bundesweit koordiniert. Zum Netzwerk gehören sollten die Zeppelin-Universität Friedrichshafen, die Unis Cottbus, Dresden und Stuttgart, die Fachhochschule Wildau sowie das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt mit den Standorten Berlin-Adlershof und Braunschweig.
Prof. Dr. Dr. Ernst Sigmund, Präsident der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus, sagte, die BTU könne in den Bereichen Antriebe (Wankelmotoren), Blitzschutz und Leichtbau einen wichtigen Beitrag für den Luftschiffbau leisten.
Auch die Neuhardenberger Gruppe möchte den CargoLifter-Nachlass in ein Leichter-als-Luft-Institut einbringen, favorisiert hier nach Angaben von Udo Effert, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Wirtschaftsförderung des Landkreises Dahme-Spreewald, aber den Standort Wildau.
CL-Lifter ist laut Gablenz darüber hinaus interessiert, das Recht am Namen CargoLifter zu erhalten. Das könnte für CargoLifter-Aktionäre dann nützlich werden, falls es wirklich zu einer Produktion in Neuhardenberg kommt. CL-Lifter möchte, basierend auf CargoLifter-Entwicklungen, ein Luftschiff für 40 Tonnen Last entwickeln. Andere am Standort planten Passagierluftschiffe, berichtete Gablenz. An die Stelle der Abschottung werde in Neuhardenberg die Kooperation treten. Die Entwicklung solle in Clustern erfolgen, beispielsweise für Luftschiffstrukturen, Gasmanagement, Avionik und Hüllenaufbau. Aus den Ergebnissen könnten sich alle Luftschiffbauer am Standort bedienen.
Zeppelin würde in Brandenburg bauen
Dies alles sind aber nach Ansicht von Insidern nicht viel mehr als lobenswerte Absichten von ganz jungen Unternehmen. Die Zeppelin-Gruppe dagegen sei ein auch im Maschinenbau und in anderen Bereichen tätiger Großkonzern mit 60 000 Beschäftigten, machte Mönning gestern den Unterschied deutlich. Zeppelin werde sich die Führung kaum aus der Hand nehmen lassen. Im Übrigen habe Zeppelin erklärt, bei einer Ausweitung der Produktion auch in Brandenburg Luftschiffe zu bauen.
Zunächst einmal werde die Luftschiffbau Zeppelin GmbH im Vorgriff auf das Leichter-als-Luft-Institut zwei Wissenschaftler in Cottbus und Friedrichshafen zwei Jahre lang finanzieren, gab der Politiker Türk gestern bekannt. Dieses historische Unternehmen der Zeppelin-Gruppe verwaltet vor allem geistiges Erbe und technisches Know-how, während die Zeppelin Luftschifftechnik GmbH heute als Hersteller fungiert. Türk hofft auf eine Bündelung der deutschen Aktivitäten in den Leichter-als-Luft-Technologien.
Von Rolf Bartonek
