Boeing plant Riesentransporter
Von Gerhard Hegmann, München
Boeing schlägt dem US-Verteidigungsministerium den Bau eines gigantischen Transportflugzeugs vor. Mit bis zu 1400 Tonnen Nutzlast könnte der "Pelican" das Fünffache des derzeit weltgrößten Flugzeugs, der ukrainischen Antonov 225, transportieren und wäre etwa doppelt so groß.

Computersimulation des Transportflugzeugs Pelican
Mit dem Flugzeugriesen könnte der Wunsch der US-Militärs erreicht werden, eine Division mit mehreren Tausend Soldaten sowie Ausrüstung innerhalb von fünf Tagen weltweit zu verlegen. Boeing hofft nach Angaben eines Sprechers, dass sein Ultra Large Aircraft im April in die Planung der US-Militärs aufgenommen wird. "Das Projekt befindet sich noch in einem frühen Konzeptstadium und es gibt noch keinen genauen Zeit- oder Kostenplan", sagte ein Sprecher des Boeing-Entwicklungsbereichs auf Anfrage. "Wir untersuchen, ob es für ein Flugzeug dieser Dimension neben militärischen Anwendungen auch zivile Kunden gibt."
Das Pelican-Projekt ist nur ein Beispiel von verschiedenen Programmen, mit denen sich der größte US-Luftfahrtkonzern, der auch die meisten Aufträge des US-Verteidigungsministeriums bekommt, seine Zukunft sichern will. Die steigenden US-Militärausgaben nach den Terroranschlägen helfen Boeing, den Einbruch im Zivilflugzeuggeschäft mit der Halbierung der Produktion abzufedern. Boeing-Chef Phil Condit äußerte sich in der vergangenen Woche bei der Präsentation der Quartalszahlen äußerst glücklich, dass er vor dem Hintergrund der "dramatischen Marktveränderungen" ein ausgewogenes Produktprogramm habe. Erst die Fusion 1997 mit dem im Militärgeschäft tätigen McDonnell-Douglas-Konzern verschaffte Boeing diese breite Basis. "Wir sind jetzt vom stark schwanken Zivilgeschäft unabhängiger", sagt Condit.
Trümpfe im Ärmel
Viel lieber als über Zivilflugzeuge redet der 61-jährige Boeing-Chef derzeit über die Aussichten beim Raketenabwehrprogramm, über Großaufträge für Präzisionsbomben, unbemannte Kampfflugzeuge oder Militärtransporter. Als wollte Boeing der Welt mitteilten, dass der Konzern noch einige Trümpfe im Ärmel hat, wurden an diesem Wochenende erstmals Einzelheiten und Fotos eines bisher geheimen Programms für ein schwer zu entdeckendes Tarnkappenkampfflugzeug ("Bird of Prey") veröffentlicht. Mit neuen Methoden in der Entwicklung und Produktion stehe der Konzern in der Militärtechnologie und der so genannten Systemintegration an der Spitze, lautet die Botschaft.
Auch beim Supertransportflugzeug Pelican mit etwa 152 Metern Länge, über 100 Metern Spannweite und 4000 Quadratmetern Flügelfläche will Boeing in neue Dimensionen vorstoßen. Das Flugzeug soll in nur sechs Metern Höhe über die Ozeane fliegen und dabei wie auf einem Luftkissen gleiten. Über Land soll es etwa auf sechs Kilometer Höhe steigen. Die Luftkissentechnologie für Flugzeuge über Wasser ist aus dem früheren russischen großen Wasserflugzeugprojekt "Ekranoplane" bekannt.
Billiger als Transport mit Schiffen
Nach Boeing-Angaben könnte ein Containertransport mit dem Pelican schneller und wesentlich billiger als mit Schiffen möglich sein. An Stelle von Containern könnten auch 17 Panzer transportiert werden, heißt es. Das Flugzeug soll auf dem Land landen: Geplant ist ein Fahrwerk mit 76 Reifen.
Beim Blick in die veröffentlichten Konzeptstudien von Boeing zeigen sich vor allem neue Militärprogramme. Im zivilen Flugzeugbau ist das Projekt des Modells "Sonic Cruiser" wegen der aktuellen Luftfahrtkrise zurückgestellt. Das Flugzeug hätte fast Schallgeschwindigkeit erreichen sollen.
Boeing-Chef Condit sprach in der vergangenen Woche offen davon, dass an Stelle des Sonic Cruiser alternativ auch ein besonders wirtschaftlich zu betreibendes Modell mit 200 bis 250 Sitzen neu entwickelt werden könnte. Die endgültige Konzeptentscheidung sei bis Ende 2003 zu erwarten. Condit widersprach der Auffassung, Airbus habe durch günstigere Produktion Vorteile. Erst jüngst hatte Airbus den größten Flugzeugauftrag des Jahres von der britischen Billigfluglinie Easyjet gewonnen.
© 2002 Financial Times Deutschland , © Illustration: Boeing
http://www.ftd.de/ub/in/1035086403681.html?nv=hpm