11.09.2002 18:00
Verhandlungen
Partnerschaft soll Cargolifter retten
Der britische Luftschiffhersteller Advanced Technologies Group hofft auf eine europäische Lösung im Luftschiffbau.
Von Jens Flottau
(SZ vom 12.09.2002) — Der verhandelt ATG über ein Zusammengehen mit der insolventen Cargolifter.
Die Gespräche stehen unter Zeitdruck. Am 27. September findet die Cargolifter-Gläubigerversammlung statt.
Das britische Unternehmen ATG steckt selbst in einer finanziell schwierigen Lage und kann daher bei Cargolifter nicht mit großen Summen einsteigen.
Offen ist, ob es bis zum 27. September gelingt, einen Sanierungsplan zu schnüren, der die Gläubiger überzeugt. Nach Auskunft des Insolvenzverwalters wird intensiv verhandelt.
1996 gegründet
Hinter ATG steckt der britische „Luftschiffpapst“ Roger Munk, der in wechselnden Rollen seit 30 Jahren in dem Sektor tätig ist und zahlreiche Luftschiffe entwickelt hat.
ATG wurde 1996 mit Investitionen von 420 Anlegern, darunter auch Cargolifter, gegründet. Gespräche über eine mögliche Kooperation scheiterten an gegensätzlichen technologischen Ansätzen.
Munk gilt außerdem als großer Rivale von Cargolifter-Gründer Carl von Gablenz. ATG verhandelt auch mit Boeing und Raytheon über gemeinsame Projekte. Anpeilen will die Firma vor allem den Markt für stationäre militärische Überwachungsplattformen.
Kernstück der ATG-Produktpallette ist die SkyCat-Serie, die derzeit in zwei britischen Hangars aus dem Jahr 1920 entwickelt wird. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Luftschiff, Hovercraft und Flugzeug. SkyCat kann laut ATG überall ohne Bodeninfrastruktur landen.
Der heliumgefüllte Körper bringt 60 Prozent des Auftriebes, 40 Prozent soll aerodynamisch entstehen. SkyCat soll in Versionen für 20, 200 und 1000 Tonnen Nutzlast gebaut werden.
Die kleinste Version ist für den Frachtmarkt, für Werbe- und Passagierflüge und für militärische Anwendungen gedacht. Munk behauptet, das Luftschiff könne innerhalb von 18 Monaten fertig entwickelt und innerhalb von zwei Jahren zugelassen werden.
Die Entwicklungskosten beliefen sich auf bis zu 50 Millionen Euro. Cargolifter wollte ein Luftschiff mit 160 Tonnen Nutzlast bauen.
Gewinn für alle
„Dies könnte eine Win-Win-Situation werden“, sagt Roger Munk. Der ATG-Chef hofft darauf, in der Kombination von Cargolifter und ATG seine Technologie und Entwicklungskapazitäten einzubringen.
Der Bau der Luftschiffe könne in der Cargolifter-Halle im brandenburgischen Brand stattfinden. Munk hofft zudem, dass ein gemeinsames Projekt der beiden ambitionierten europäischen Firmen vom britischen und vom deutschen Staat gefördert werde.
Die Zahl von über 70 000 Kleinaktionären bei Cargolifter zeige zudem, dass die Begeisterung für Luftschiffe in Deutschland ungleich höher sei, als in Großbritannien, und sich deswegen auch private Investoren leichter finden ließen.
Munk wollte sich nicht auf die Art der Kooperation oder gar Übernahme von Cargolifter festlegen: „Wir haben kein Geld, um den Hangar zu kaufen. Unser Cash-Flow ist knapp und es ist schwierig geworden, mehr Kapitalgeber zu finden.“ ATG beschäftigt derzeit 40 Mitarbeiter.
Seit 1996 haben Investoren dem Unternehmen 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Für ein mögliches neues Luftschiffunternehmen denke man bereits über Namen nach. Das Projekt könne auch weiteren Partnern offen stehen.
ATG glaubt, in den nächsten zehn Jahren Hunderte von Luftschiffen für verschiedene Aufgaben verkaufen zu können. Neben der SkyCat-Serie will das Unternehmen auch ein Stratsat genanntes stationäres Luftschiff bauen, das bis zu fünf Jahre lang in Höhen von bis zu 23 Kilometern ausgesetzt werden kann.
Interesse an militärischem Einsatz
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 haben vor allem die USA starkes Interesse an einem möglichen militärischen Einsatz von Luftschiffen gezeigt.
Das North American Aerospace Defense Command (Norad) und die U.S. Army haben bereits Forschungsmittel für das Haushaltsjahr 2003 beantragt, um einen Demonstrator bauen zu lassen. Nora zufolge würden zehn Schiffe genügen, um den US-Luftraum überwachen zu können.
An der Technologie haben Lockheed Martin, Boeing und Raytheon Interesse gezeigt. Boeing hat mit Cargolifter eine Absichtserklärung unterzeichnet, gemeinsam Anwendungsmöglichkeiten der Leichter-als-Luft-Technologie zu erforschen.
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